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Beweisaufnahme

Estland
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Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Beweislast

1.1 Wie ist die Beweislast geregelt?

Die Beweislast ist in Artikel 230 Zivilprozessordnung (tsiviilkohtumenetluse seadustik) geregelt. Danach muss bei Klagen jede Partei die Tatsachen nachweisen, die die Grundlage ihrer Ansprüche und Einwände darstellen, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Sofern nicht anders vorgeschrieben, können die Parteien sich darüber hinaus auf eine von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Aufteilung der Beweislast und auf die Art der Beweise für den Nachweis bestimmter Tatsachen einigen. Sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, kann das Gericht in Ehesachen, Abstammungssachen oder in einem Streit in Bezug auf die Interessen eines Kindes oder in Antragsverfahren von sich aus Beweis erheben.

1.2 Gibt es Vorschriften, wonach eine Befreiung von der Beweislast in Bezug auf bestimmte Tatsachen vorgesehen ist? In welchen Fällen? Kann bei einer gesetzlichen Vermutung ein Gegenbeweis erbracht werden?

Eine Tatsache, die das Gericht als allgemeines Wissen ansieht, muss nicht bewiesen werden. Das Gericht kann erklären, dass als allgemeines Wissen gilt, welche zuverlässigen Informationen von Quellen verfügbar sind, die nicht Teil des Verfahrens sind. Das Vorbringen einer Partei bezüglich einer Tatsache muss darüber hinaus nicht bewiesen werden, wenn die Gegenpartei die Tatsache anerkennt. Anerkenntnis bedeutet die unbedingte und ausdrückliche Zustimmung einer Tatsachenbehauptung durch eine schriftliche Erklärung an das Gericht oder durch eine Erklärung in einer Gerichtsverhandlung, in der die Zustimmung im Sitzungsprotokoll aufgezeichnet wird. Die Erklärung kann nur mit Einwilligung der Gegenpartei zurückgenommen werden oder wenn die Partei, die die Erklärung zurücknimmt, nachweist, dass die Behauptung in Bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsache falsch ist und dass die Erklärung auf einem falschen Verständnis dieser Tatsache beruhte. In diesen Fällen gilt die Tatsache nicht als anerkannt. Die Anerkenntnis gilt als gegeben, sofern die andere Partei nicht explizit einer Tatsachenbehauptung widersprochen hat und aus den sonstigen Erklärungen der Party nicht hervorgeht, dass sie eine Tatsache bestreiten will.

1.3 In welchem Maß muss das Gericht von einer Tatsache überzeugt sein, um sein Urteil darauf stützen zu können?

Das Gericht würdigt die Beweise nach Maßgabe des Gesetzes umfassend, gründlich und objektiv und entscheidet nach seinem Gewissen, ob das Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten bewiesen ist. Dabei werden unter anderem alle Vereinbarungen der Partien bezüglich der Beweisführung berücksichtigt.

2 Beweisaufnahme

2.1 Erfolgt die Beweisaufnahme stets auf Antrag einer Partei oder kann das Gericht in bestimmten Fällen auch von sich aus Beweise erheben?

Obwohl nach Artikel 236 Absatz 2 Zivilprozessordnung im Allgemeinen die betroffenen Parteien die Beweisaufnahme durch das Gericht beantragen sollten, sieht Artikel 230 Absatz 3 Zivilprozessordnung Fälle vor, in denen das Gericht von sich aus Beweise erheben kann. Sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, kann das Gericht insbesondere in Ehesachen, Abstammungssachen oder in einem Streit in Bezug auf die Interessen eines Kindes oder in Antragsverfahren von sich aus Beweis erheben.

2.2 Wie geht es weiter, nachdem dem Beweisantrag einer Partei stattgegeben wurde?

Ist das Erheben weiterer Beweise für die Beweiswürdigung erforderlich, ordnet das Gericht dies durch einen Gerichtsbeschluss an, der den Verfahrensbeteiligten zugestellt wird. Müssen die Beweise außerhalb der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts erhoben werden, das das Verfahren durchführt, kann dieses Gericht das Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich der Beweis erhoben werden kann, ersuchen, einen diesbezüglichen Beschluss zu erlassen. Beweise können auch außerhalb Estlands erhoben werden.

Nach Erlass des Beschlusses wird der Beweis je nach Art des Beweises gemäß den Bestimmungen über die Beweiserhebung in Kapitel 27 bis 32 Zivilprozessordnung erhoben.

2.3 In welchen Fällen kann das Gericht den Antrag einer Partei auf Beweiserhebung zurückweisen?

Das Gericht kann einen Antrag auf Beweiserhebung ablehnen, wenn:

  1. der Beweis unerheblich für die Angelegenheit ist (vor allem, wenn die betreffende Tatsache nicht beweisbedürftig ist oder wenn das Gericht der Ansicht ist, dass für den Beweis der Tatsache bereits ausreichend Nachweise erbracht wurden);
  2. nach Maßgabe der Rechtsvorschriften oder einer Vereinbarung zwischen den Parteien eine Tatsache durch Beweismittel einer bestimmten Art und Form bewiesen werden muss, aber eine andere Art oder Form der Beweisaufnahme beantragt wurde;
  3. das Beweismittel nicht zugänglich ist, insbesondere wenn die Personalien des Zeugen oder der Aufbewahrungsort von Dokumenten unbekannt sind oder wenn die Bedeutung des Beweismittels in keinem Verhältnis zu dem Zeitaufwand für seine Erhebung oder zu anderen mit der Beweisaufnahme in Zusammenhang stehenden Schwierigkeiten steht;
  4. der Beweisantrag zu spät gestellt wurde;
  5. die Notwendigkeit der Beweiserhebung nicht begründet ist;
  6. der die Beweisaufnahme beantragende Verfahrensbeteiligte es versäumt, die Vorauszahlung zu leisten, die vom Gericht zur Deckung der Kosten für die Beweisaufnahme gefordert wird.

2.4 Welche verschiedenen Beweismittel sind zulässig?

Gemäß Artikel 229 Absatz 1 Zivilprozessordnung ist ein Beweismittel in einer Zivilsache jede Information, die in den Rechtsvorschriften in einer prozessualen Form vorgesehen ist und auf deren Grundlage das Gericht anhand eines gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatsachen feststellt, auf denen die Ansprüche und Einwände der Parteien basieren sowie das Vorliegen oder Nichtvorliegen anderer Tatsachen, die für die Entscheidung der Angelegenheit maßgeblich sind.

Gemäß Absatz 2 kann es sich bei Beweismitteln um Zeugenaussagen, eidesstattliche Erklärungen der Verfahrensbeteiligten, Urkundenbeweise, materielle Beweismittel, Augenschein oder Sachverständigengutachten handeln. In Antragsverfahren und verbundenen Verfahren kann das Gericht auch andere Beweismittel als ausreichend für den Nachweis einer Tatsache ansehen, wie beispielsweise eine nicht eidesstattliche Erklärung eines Verfahrensbeteiligten.

2.5 Wie wird ein Zeugenbeweis erhoben? Gibt es Unterschiede im Vergleich zur Erhebung eines Sachverständigenbeweises? Wie ist die Vorlage von Urkundenbeweisen und Sachverständigengutachten/Sachverständigenaussagen geregelt?

1) Zeugenbeweis

Gemäß Artikel 251 Absatz 1 Zivilprozessordnung kann jede Person, die möglicherweise Kenntnis von Tatsachen hat, die für die Angelegenheit erheblich sind, als Zeuge vernommen werden, es sei denn, diese Person ist Beteiligter oder Vertreter eines Beteiligten des betreffenden Verfahrens. Zeugen müssen Auskunft geben zu Tatsachen, die sie unmittelbar wahrgenommen haben. Eine als Zeuge geladene Person muss vor Gericht erscheinen und wahrheitsgemäß Zeugnis ablegen über die ihr bekannten Tatsachen. Anstelle der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung können Zeugen auch zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung aufgefordert werden, wenn das Auftreten vor Gericht eine unzumutbare Belastung für den Zeugen darstellen würde und wenn das Gericht angesichts des Inhalts der Fragen und der Persönlichkeit des Zeugen der Ansicht ist, dass eine schriftliche Zeugenaussage als Nachweis ausreicht. Alternativ kann das Gericht die Aufzeichnungen einer mündlichen Verhandlung in einem anderen Gerichtsverfahren verwenden, wenn dies das Verfahren eindeutig vereinfacht und wenn angenommen werden kann, dass das Gericht in ausreichendem Umfang Zugang zu den Aufzeichnungen erhält, ohne den Zeugen direkt zu vernehmen.

Jeder Zeuge wird einzeln vernommen, und Zeugen, die noch nicht gehört wurden, dürfen während der mündlichen Verhandlung nicht im Gerichtssaal anwesend sein. Ist das Gericht der begründeten Ansicht, dass ein Zeuge Angst oder einen sonstigen Grund hat, in Anwesenheit eines Verfahrensbeteiligten vor Gericht nicht die Wahrheit zu sagen, oder wenn ein Verfahrensbeteiligter die Zeugenaussage durch Störungen oder auf eine andere Weise steuert, kann das Gericht diese Person während der Vernehmung des Zeugen aus dem Gerichtssaal entfernen. In einem solchen Fall wird dem Verfahrensbeteiligten die Zeugenaussage nach seiner Rückkehr vorgelesen und er hat das Recht, den Zeugen zu befragen. Ist die Aussage eines Zeugen widersprüchlich, kann das Gericht ihn in der gleichen Gerichtsverhandlung mehrmals anhören und befragen.

Im Fall von schriftlichen Erklärungen sind die Verfahrensbeteiligten befugt, über das Gericht schriftliche Fragen an die Zeugen zu stellen. Das Gericht entscheidet, welche Fragen der Zeuge beantworten muss. Gegebenenfalls kann das Gericht einen Zeugen zu einer Gerichtsverhandlung laden, damit er mündlich aussagt.

Kann eine Person aufgrund von Krankheit, Alter, einer Behinderung oder aus einem anderen triftigen Grund nicht vor Gericht erscheinen oder wenn dies aus einem anderen Grund erforderlich ist, kann das Gericht den Zeugen aufsuchen, um seine Aussage aufzunehmen.

Das Gericht würdigt die Beweise direkt (Artikel 243 Absatz 1 Zivilprozessordnung). Zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen kann sich das Gericht auf verschiedene Maßnahmen stützen, die in Artikel 262 Absätze 1 und 8 der Zivilprozessordnung niedergelegt sind. Gemäß Absatz 1 beispielsweise überprüft das Gericht die Identität eines Zeugen, seinen Arbeitsplatz, seine Ausbildung, seinen Wohnort, seine Verbindung zu der Rechtssache und seine Beziehungen zu den Verfahrensbeteiligten. Vor der Zeugenvernehmung belehrt das Gericht den Zeugen über seine Pflicht, die Wahrheit zu sagen und über das Verfahren der Aussageverweigerung. Gemäß Absatz 8 stellt das Gericht gegebenenfalls während der gesamten Vernehmung zusätzliche Fragen, um die Zeugenaussage zu verdeutlichen oder zu ergänzen oder um die Wissensgrundlage des Zeugen zu überprüfen.

2) Sachverständigengutachten

Das Gericht ist befugt, auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten ein Sachverständigengutachten einzuholen, um die Umstände in Bezug auf eine Angelegenheit zu klären, die besonderes Fachwissen erfordert. Das Gericht kann auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten oder von sich aus das Gutachten eines Sachverständigen für Rechtsangelegenheiten zum geltenden Recht außerhalb der Republik Estland, zum internationalen Recht oder zum Gewohnheitsrecht einholen. Die Bestimmungen zur Zeugenvernehmung gelten auch für die Vernehmung von Personen mit besonderen Fachkenntnissen, wenn damit ein Umstand oder ein Ereignis nachgewiesen werden soll und wenn besondere Fachkenntnisse für die richtige Auslegung erforderlich sind. Hat ein Verfahrensbeteiligter dem Gericht eine schriftliche Stellungnahme eines Sachverständigen vorgelegt und wird dieser nicht als Zeuge vernommen, wird diese Stellungnahme als Urkundenbeweis gewertet. Statt ein Sachverständigengutachten einzuholen, kann das Gericht auch ein Sachverständigengutachten verwenden, das auf Anweisung des Gerichts in einem anderen Gerichtsverfahren erstellt wurde, oder ein Sachverständigengutachten, das auf Anweisung eines Strafgerichts angefertigt wurde, wenn dies das Verfahren vereinfacht und angenommen werden kann, dass das Gericht in der Lage ist, das Sachverständigengutachten ausreichend zu würdigen. In solchen Fällen können dem Sachverständigen zusätzliche Fragen gestellt werden oder er kann für eine Befragung vor Gericht geladen werden.

Ein Sachverständigengutachten wird von einem vom Gericht bestellten Sachverständigen für Forensik oder von einer anderen qualifizierten Person durchgeführt, die bei einem staatlichen Institut für Forensik angestellt ist, oder von einem amtlich zugelassenen Sachverständigen oder von einer anderen gerichtlich bestellten Person mit besonderen Fachkenntnissen. Das Gericht kann eine Person als Sachverständigen bestellen, wenn diese das Wissen und die Erfahrung aufweist, die für das Erstellen eines Gutachtens erforderlich sind. Wenn ein amtlich zugelassener Sachverständiger für die Erstellung des Gutachtens zur Verfügung steht, können andere Personen nur aus besonderem Grund als Sachverständige bestellt werden. Einigen sich die Parteien auf einen Sachverständigen, kann das Gericht diese Person als Sachverständigen bestellen, wenn sie nach Maßgabe des Gesetzes befähigt ist, als Sachverständiger tätig zu werden.

Ein Verfahrensbeteiligter hat das Recht, einem Sachverständigen über das Gericht Fragen zu stellen. Das Gericht entscheidet, für welche Fragen ein Sachverständiger erforderlich ist. Das Gericht muss die Abweisung jeder dieser Fragen begründen. Sachverständige legen dem Gericht ihr Gutachten in Schriftform vor, es sei denn, das Gericht weist sie an, dies mündlich oder auf eine andere Weise zu tun, die der Zustimmung des Sachverständigen bedarf. Ein Sachverständigengutachten sollte eine detaillierte Beschreibung jeder durchgeführten Untersuchung enthalten sowie die aufgrund dieser Untersuchungen gezogenen Schlussfolgerungen und Antworten auf die Fragen des Gerichts.

Die Sachverständigen sind dazu angehalten, eine richtige und begründete Stellungnahme zu den ihnen gestellten Fragen abzugeben. Zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens kann ein Sachverständiger das gesamte, im Zusammenhang mit der Angelegenheit stehende Material prüfen, sofern dies erforderlich ist, an der Beweiswürdigung vor Gericht teilnehmen und Referenzmaterial und zusätzliche Informationen vom Gericht anfordern.

Ein Sachverständigengutachten wird in einer Gerichtsverhandlung erörtert. Sofern das Sachverständigengutachten nicht in Schriftform oder in einem anderen Format vorgelegt wird, das in Schriftform wiedergegeben werden kann, stellt der Sachverständige sein Gutachten mündlich in einer Gerichtsverhandlung vor. Das Gericht kann einen Sachverständigen, der sein Gutachten in Schriftform oder in einem anderen Format vorgelegt hat, das in Schriftform wiedergegeben werden kann, für die Befragung zu einer Gerichtsverhandlung laden. Auch wenn eine der betroffenen Parteien dies fordert, kann das Gericht einen Sachverständigen, der ein Gutachten vorgelegt hat, zu einer Gerichtverhandlung laden.

Sofern der Sachverständige vor Gericht geladen wurde, können die Verfahrensbeteiligten dem Sachverständigen nach der Prüfung des Sachverständigengutachtens Fragen stellen, um Einzelheiten des Gutachtens zu klären. Die Fragen können auch vorher bei Gericht eingereicht werden und dann von diesem an den Sachverständigen weitergeleitet werden. Das Gericht schließt sämtliche Fragen aus, die unerheblich sind oder die Kompetenz des Sachverständigen übersteigen.

Die Bestimmungen für die Zeugenvernehmung gelten auch für die Vernehmung von Sachverständigen.

3) Urkundenbeweise

Urkundenbeweise sind Schriftstücke und andere Dokumente oder ähnliche Datenträger, auf die Daten mittels Fotografie, Video, Ton, elektronisch oder mit sonstigen Mitteln aufgezeichnet sind und die Informationen zu den Tatsachen enthalten, die für die Entscheidung in der Sache maßgeblich sind und die in wahrnehmbarer Form in einer Gerichtsverhandlung vorgelegt werden können.

Auch der amtliche und persönliche Schriftverkehr, Entscheidungen in anderen Rechtssachen und die Stellungnahmen von Personen mit besonderen Fachkenntnissen, die dem Gericht von Verfahrensbeteiligten vorgelegt werden, gelten als Dokumente.

Alle eingereichten Schriftstücke sollten Originale oder Abschriften sein. Wenn Verfahrensbeteiligte Originaldokumente zusammen mit Abschriften einreichen, kann das Gericht die Originaldokumente zurückgeben und der Akte eine von dem Richter beglaubigte Kopie der Abschrift beifügen. Auf Antrag der Personen, die Schriftstücke einreichen, können die sich in den Akten befindlichen Originale zurückgegeben werden, wenn die Gerichtsentscheidung rechtskräftig und das Verfahren abgeschlossen ist. Die Abschrift verbleibt in der Akte. Das Gericht kann eine Frist für die Prüfung eines eingereichten Dokuments setzen, nach deren Ablauf das Gericht das Dokument zurückgeben muss. In diesen Fällen verbleibt die Abschrift des Dokuments in der Akte. Wurde ein Dokument in Form einer Abschrift eingereicht, kann das Gericht das Original anfordern oder eine Erklärung verlangen, warum die Vorlage des Originaldokuments nicht möglich war. Wird der Aufforderung des Gerichts nicht nachgekommen, entscheidet das Gericht über den Beweiswert der Abschrift des Dokuments.

2.6 Sind bestimmte Beweismittel beweiskräftiger als andere?

In Zivilverfahren findet die allgemeine Regel der freien Beweiswürdigung Anwendung. Einschränkungen sind jedoch mit Zustimmung der Parteien möglich. So heißt es in Artikel 232 Absatz 2 Zivilprozessordnung, dass ein Beweismittel für das Gericht keinen bestimmten Beweiswert hat, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren. Die Parteien können demnach vereinbaren, dass bestimmten Beweismitteln entscheidende Bedeutung zukommt.

2.7 Sind für bestimmte Tatsachen bestimmte Beweismittel zwingend?

Ja. Es kann sich aus den Rechtsvorschriften oder aus einer Vereinbarung zwischen den Parteien ergeben, dass eine bestimmte Tatsache nur mit Beweismitteln einer bestimmten Art oder in einer bestimmten Form bewiesen werden kann.

2.8 Besteht eine Zeugenpflicht?

Ja. Gemäß Artikel 254 Zivilprozessordnung muss eine als Zeuge geladene Person vor Gericht erscheinen und wahrheitsgemäß Zeugnis ablegen über die ihr bekannten Tatsachen.

2.9 In welchen Fällen besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht?

Die folgenden Personen haben ein Zeugnisverweigerungsrecht:

  1. die Verwandten des Klägers oder Beklagten in absteigender und aufsteigender Linie;
  2. Schwester, Stiefschwester, Bruder oder Stiefbruder des Klägers oder Beklagten oder eine Person, die mit einer Schwester, Stiefschwester, einem Bruder oder Stiefbruder des Klägers oder Beklagten verheiratet ist oder war;
  3. ein Stief- oder Pflegeelternteil oder ein Stiefkind oder Pflegekind des Klägers oder Beklagten;
  4. ein Adoptivelternteil oder ein Adoptivkind des Klägers oder Beklagten;
  5. der Ehegatte oder Lebenspartner des Klägers oder Beklagten und die Eltern des Ehegatten oder Lebenspartners, selbst wenn die Ehe oder Lebensgemeinschaft beendet ist.

Ein Zeuge kann die Aussage auch verweigern, wenn die Aussage ihn selbst oder eine der vorstehend aufgeführten Personen einer strafbaren Handlung beschuldigen würde.

Ein Zeuge hat das Recht, die Aussage in Bezug auf alle Tatsachen zu verweigern, auf die das Gesetz über Staatsgeheimnisse und als Verschlusssachen einzustufende Informationen ausländischer Staaten (riigisaladuse ja salastatud välisteabe seadus) Anwendung findet.

Jede Person, die Informationen zu journalistischen Zwecken verarbeitet, hat das Recht, die Aussage in Bezug auf Tatsachen zu verweigern, die die Identifizierung der Person ermöglichen würde, von der die Informationen stammen.

Unbeschadet des Vorstehenden hat ein Zeuge kein Zeugnisverweigerungsrecht in Bezug auf:

  1. die Durchführung und den Inhalt eines Rechtsgeschäfts, dem er als Zeuge beiwohnen sollte;
  2. die Geburt oder den Tod eines Familienmitglieds:
  3. eine Tatsache in Bezug auf eine vermögensrechtliche Beziehung, die sich aus einem familienrechtlichen Verhältnis ergibt;
  4. eine Handlung im Zusammenhang mit einem angefochtenen Rechtsverhältnis, die der Zeuge selbst als der Rechtsvorgänger oder Vertreter einer Partei durchgeführt hat.

2.10 Kann eine Person, die nicht als Zeuge aussagen will, zur Aussage gezwungen oder bestraft werden?

Ja. Wenn ein Zeuge ohne triftigen Grund die Aussage verweigert, kann das Gericht eine Geldbuße verhängen oder den Zeugen für bis zu 14 Tage in Arrest nehmen. Der Zeuge ist unverzüglich freizulassen, wenn er aussagt, die Verhandlung der Sache beendet ist oder der Zeuge nicht länger vernommen werden muss.

Außerdem werden dem Zeugen die prozessualen Kosten auferlegt, die durch seine unbegründete Aussageverweigerung entstanden sind.

2.11 Gibt es Personen, die nicht als Zeugen aussagen dürfen?

Artikel 256 Zivilprozessordnung legt fest, welche Personen nicht als Zeugen gehört werden dürfen. Insbesondere Priester einer in Estland registrierten religiösen Vereinigung und ihr Unterstützungspersonal dürfen nicht in Bezug auf Umstände gehört oder befragt werden, die ihnen im Rahmen der geistigen Seelsorge anvertraut wurden. Die folgenden Personen dürfen nicht ohne Zustimmung der Person aussagen, in deren Interesse Vertraulichkeit angeordnet wurde:

  1. Vertreter in zivil- oder verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten, Strafverteidiger und Notare in Bezug auf Tatsachen, in deren Kenntnis sie bei der Ausübung ihrer beruflichen Pflichten gelangt sind;
  2. Ärzte, Apotheker oder andere Erbringer von Gesundheitsdienstleistungen in Bezug auf Tatsachen, die ihnen ein Patient anvertraut hat, einschließlich Tatsachen im Zusammenhang mit der Abstammung, mit künstlicher Befruchtung, Familie oder der Gesundheit einer Person;
  3. sonstige Personen, die aufgrund ihrer Beschäftigung oder beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit in Kenntnis vertraulicher Informationen gelangt sind, die sie gemäß den Rechtsvorschriften nicht offenlegen dürfen.

Auch das berufliche Unterstützungspersonal der vorstehenden Personen darf ohne die Zustimmung der Person, in deren Interesse Vertraulichkeit angeordnet wurde, nicht aussagen.

2.12 Welche Rolle spielen das Gericht und die Parteien bei einer Zeugenvernehmung? Unter welchen Voraussetzungen ist eine Zeugenvernehmung per Videokonferenz oder mit anderen technischen Mitteln möglich?

Artikel 262 Zivilprozessordnung legt das Verfahren für die Zeugenvernehmung fest. Die Zeugenvernehmung beginnt damit, dass das Gericht dem Zeugen den Gegenstand der mündlichen Verhandlung darlegt und ihn ermahnt, alles zu sagen, was er in Bezug auf den Gegenstand der Verhandlung weiß. Danach haben die Verfahrensbeteiligten das Recht, dem Zeugen über das Gericht Fragen vorzulegen. Mit der Zustimmung des Gerichts können die Verfahrensbeteiligten auch direkt Fragen stellen.

Das Gericht schließt alle Suggestivfragen und alle Fragen aus, die für die Angelegenheit nicht von Bedeutung sind, sowie Fragen, mit denen neue Tatsachen aufgedeckt werden sollen, die noch nicht dargelegt wurden, und Wiederholungsfragen. Das Gericht ist dazu befugt, jederzeit während der Befragung gegebenenfalls zusätzliche Fragen zu stellen, um die Zeugenaussage zu verdeutlichen oder zu ergänzen oder um die Wissensgrundlage des Zeugen zu überprüfen.

Gemäß Artikel 350 Zivilprozessordnung kann das Gericht eine Verhandlung in Form einer Videokonferenz organisieren, so dass die Verfahrensbeteiligten oder ihre Vertreter oder Berater die Möglichkeit haben, sich zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten, wo sie die Verfahrenshandlungen in Echtzeit vornehmen können. Auch ein Zeuge oder Sachverständiger, der sich an einem anderen Ort befindet, kann im Rahmen einer Videokonferenz gehört und von einem Verfahrensteilnehmer an einem anderen Ort befragt werden.

Bei einer Gerichtsverhandlung, die in Form einer Videokonferenz organisiert wird, muss das Recht jedes Verfahrensbeteiligten, Anträge zu stellen und Stellungnahmen zu den Anträgen der anderen Verfahrensteilnehmer abzugeben, auf eine technisch sichere Weise gewährleistet werden. Gleiches gilt für die Bild- und Tonübertragung in Echtzeit aus dem Gericht und in den Gerichtssaal. Wenn die Parteien und Zeugen zustimmen, kann der Zeuge über Telefon in einer Konferenzschaltung gehört werden. In Antragsverfahren reicht hierfür die Zustimmung des Zeugen. Der Justizminister kann spezielle technische Anforderungen an das Abhalten einer Gerichtsverhandlung in Konferenzform festlegen.

3 Beweiswürdigung

3.1 Verhindert die Beschaffung eines Beweises mit ungesetzlichen Mitteln, dass das Gericht den fraglichen Beweis bei der Urteilsfindung berücksichtigt?

Gemäß Artikel 238 Absatz 3 Satz 1 Zivilprozessordnung kann das Gericht einen Beweis ablehnen und das Beweismittel zurücksenden, wenn es durch eine Straftat oder eine rechtswidrige Grundrechtsverletzung erlangt wurde.

3.2 Wird meine Erklärung als Beweismittel anerkannt, wenn ich selbst Verfahrenspartei bin?

Gemäß Absatz 267 Zivilprozessordnung hat eine Partei, der es nicht gelungen ist, eine von ihr zu beweisende Tatsache durch einen anderen Beweis nachzuweisen, oder die keine anderen Beweismittel vorgelegt hat, das Recht, die Vernehmung der Gegenpartei oder einer dritten Partei unter Eidesleistung zu beantragen, um diese Tatsache zu beweisen. Im Fall einer juristischen Person kann ein Vertreter der Person unter Eid vernommen werden.

Das Gericht kann auch eine Partei unter Eid vernehmen, die Beweis in Bezug auf eine angefochtene Tatsache erbringen muss, wenn eine der Parteien dies beantragt und die andere Partei zustimmt.

Unabhängig von den Anträgen der Parteien und der Beweislast kann das Gericht von sich aus eine oder beide Parteien unter Eid vernehmen, wenn das Gericht auf der Grundlage des bisherigen Verfahrensverlaufs und der vorgelegten und aufgenommenen Beweise nicht in der Lage ist, sich eine Meinung zu einer behaupteten Tatsache zu bilden, die bewiesen werden muss. Das Gericht kann auch von sich aus und ohne die Einwilligung der anderen Partei eine Aussage unter Eid zulassen, wenn die beweispflichtige Partei den Wunsch äußert, unter Eid auszusagen.

In vereinfachten Verfahren und in Antragsverfahren kann das Gericht auch die Aussage eines Verfahrensbeteiligten, die nicht unter Eid gemacht wurde, als ausreichenden Nachweis für eine Tatsache ansehen, sofern sich nicht aus den einschlägigen Vorschriften für die entsprechende Art von Antragsverfahren ergibt, dass nur Aussagen der Verfahrensbeteiligten unter Eid zugelassen werden können. Im Fall einer Klage kann eine Entscheidung nicht auf die Aussage einer Partei gestützt werden, die nicht unter Eid gemacht wurde.

Letzte Aktualisierung: 18/04/2023

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