Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Zivil- und Insolvenzsachen

Polen
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European Judicial Network
Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Zivilverfahren

1.1 Fristen in Zivilverfahren

Die polnische Sondergesetzgebung sieht unter anderem Folgendes vor:

  • die Aussetzung noch nicht begonnener bzw. die Verschiebung bereits begonnener Verjährungsfristen für die Vollstreckung von Urteilen;
  • die Aussetzung von noch nicht begonnenen bzw. die Verschiebung von bereits begonnenen Fristen in Verfahren und für gerichtliche Schritte in Rechtsverfahren, einschließlich Vollstreckungsverfahren.

1.2 Gerichtsorganisation und Justiz

Es wurden spezifische Maßnahmen ergriffen, um die negativen Folgen der COVID-19-Pandemie zu mildern.

Es wurde die Übertragung von Fällen zwischen den polnischen Gerichten ermöglicht (durch die Justizbehörde und für einen bestimmten Zeitraum in dringenden Fällen, wie sie in der Sondergesetzgebung zur Milderung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das polnische Justizsystem definiert sind).

Als dringend eingestuft werden folgende Verfahren:

1. Verfahren betreffend Minderjährige einschließlich:

  • Verfahren über die Aberkennung des elterlichen Erziehungs- oder Sorgerechts für einen Minderjährigen;
  • Verfahren über die Unterbringung eines ausländischen Minderjährigen in einer Pflege- oder Bildungseinrichtung;
  • Verfahren über die Einsetzung eines Vormunds zur Vertretung der Interessen eines Minderjährigen in Gerichtsverfahren;
  • Verfahren über die Unterbringung oder Verlängerung des Aufenthalts eines Jugendlichen in einem Jugendheim;
  • Vollstreckungsverfahren unter Beteiligung Minderjähriger.

2. Verfahren betreffend Personen mit einer psychischen Erkrankung oder Behinderung.

Der Präsident des jeweils zuständigen polnischen Gerichts kann anordnen, dass ein Fall als dringend zu betrachten ist, wenn

  • das Unterlassen einer gerichtlichen Entscheidung in dem entsprechenden Fall eine mögliche Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Mensch und Tier darstellt;
  • das Unterlassen einer gerichtlichen Entscheidung in dem entsprechenden Fall dem öffentlichen Interesse ernsthaft schaden könnte;
  • das Unterlassen einer gerichtlichen Entscheidung in dem entsprechenden Fall zu drohenden und nicht wieder gut zu machenden materiellen Schäden führen könnte;
  • im Interesse der Gerechtigkeit dringend eine gerichtliche Entscheidung in dem entsprechenden Fall getroffen werden muss.

Die Abstellung von Richtern an andere Gerichte wurde vereinfacht. Entsprechende Entscheidungen werden von den Justizbehörden in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Richter und für einen im Voraus festgelegten Zeitraum getroffen. Durch die Abstellung von Richtern können Gerichte mit höherer Arbeitsbelastung unterstützt werden.

Auch die Aussetzung und Verschiebung von Gerichtsverfahren ist in bestimmten Fällen möglich.

1.3 Justizielle Zusammenarbeit in der EU

Die Mitarbeiter in der Zentralbehörde des Justizministeriums leisten Telearbeit.

Sämtliche Kommunikation mit dem polnischen Justizministerium als Zentralbehörde (einschließlich der Zustellung von Schriftstücken und der Beweisaufnahme) oder mit der polnischen Kontaktstelle des Europäischen Justiziellen Netzes (EJN) für Strafsachen muss auf elektronischem Wege erfolgen. Alle erforderlichen Unterlagen müssen in Form eingescannter Kopien übermittelt werden.

2 Von den Mitgliedstaaten nach Ausbruch der Pandemie erlassene oder geplante insolvenzbezogene Maßnahmen

2.1 Materiellrechtliche Insolvenzmaßnahmen und verbundene Maßnahmen mit Auswirkungen auf Verträge

2.1.1 Insolvenzaussetzung

2.1.1.1 Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (für Schuldner)

Seit dem 18. April 2020 ist die Insolvenzantragspflicht des Schuldners (wenn COVID-19 die unmittelbare Ursache für die Insolvenz ist) für den gesamten Zeitraum des Pandemierisikos ausgesetzt.

2.1.1.2 Schuldnerschutz bezüglich Insolvenzanträgen durch Gläubiger

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2.1.2 Aussetzung der Forderungsvollstreckung und der Vertragskündigung

2.1.2.1 Allgemeine/spezifische Moratorien für die Zwangsvollstreckung / bestimmte Arten der Zwangsvollstreckung

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2.1.2.2 Aussetzung der Möglichkeit der Vertragskündigung (allgemeine/spezifische Verträge)

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2.2 Aussetzung der Arbeit von Zivilgerichten, einschließlich Insolvenzgerichten, und Verfahrensaussetzungen

Insolvenzfälle wurden vom 16. Mai 2020 bis zum 5. September 2020 als „dringende Fälle“ eingestuft.

Es gab keine allgemeine Aussetzung von Insolvenzverfahren, obwohl viele Anhörungen abgesagt wurden.

Anhörungen werden online durchgeführt, es sei denn, das persönliche Erscheinen stellt keine außergewöhnliche Gefahr für die Teilnehmer dar.

2.3 Sonstige Insolvenzmaßnahmen (z. B. im Zusammenhang mit Anfechtungsklagen, Sanierungsplänen, informellen Vereinbarungen und gegebenenfalls Sonstigem)

Die laut Sanierungsgesetz vorgesehenen Sanierungsverfahren enthalten Lösungen, bei denen die Interessen des Schuldners und seiner Gläubiger gegeneinander abgewogen werden; gleichzeitig dienen sie dazu, die Existenz des Schuldners möglichst wirksam zu bewahren und die Gläubiger so wirksam wie möglich zu befriedigen. Sie sollten also nicht naturgemäß als schädlich für die Schuldner betrachtet werden.

Am 24. Juni 2020 trat ein neues Sanierungsverfahren in Kraft (vereinfachtes Sanierungsverfahren). Dieses ermöglicht es Schuldnern, ohne gerichtliche Genehmigung ein Sanierungsverfahren einzuleiten, um rasch und effizient tätig werden zu können, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz besteht. Die Einleitung dieses Verfahrens führt zu einer generellen Aussetzung der Forderungsvoll-streckung.

2.4 Verbundene nicht insolvenzbezogene Maßnahmen (Zahlungsstundungen, Bankdarlehen, Sozialabgaben, Krankenversicherung, Unternehmensbeihilfen)

Im Rahmen des neuen „Anti-Krisen-Schildes“ können Unternehmen in finanzieller Schieflage (Insolvenzgefahr) staatliche Beihilfen in Anspruch nehmen, sofern sie die Kriterien eines Unternehmens in Insolvenzgefahr (Art. 141 Abs. 2 des Sanierungsgesetzes) erfüllen oder insolvent sind (Art. 11 des Konkursgesetzes), wodurch auch andere Kriterien erfüllt sind.

Während des gesamten Pandemiezeitraums ist die Möglichkeit der Räumung einer natürlichen Person aus einer Wohnung ausgeschlossen.

Letzte Aktualisierung: 21/10/2021

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