Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Zivil- und Insolvenzsachen

Litauen
Inhalt bereitgestellt von
European Judicial Network
Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Zivilverfahren

1.1 Fristen in Zivilverfahren

Litauen hat keine offiziellen Rechtsakte zur Aussetzung oder Verlängerung von Verfahrensfristen in Zivilsachen verabschiedet. Die Erneuerung oder Verlängerung von Verfahrensfristen wird auf Einzelfallbasis von dem Gericht entschieden, das den Fall verhandelt.

Der Justizrat hat Empfehlungen an die Gerichte herausgegeben und diese darin aufgefordert, Anträge von Einzelpersonen auf Verlängerung einer versäumten Frist für die Einreichung eines Verfahrensdokuments oder auf Vollziehung einer Verfahrenshandlung während und nach der Quarantänezeit flexibel zu prüfen, wenn diese Handlungen durch den in der Republik Litauen ausgerufenen Notstand und die in der Folge geänderte Arbeitsorganisation in den staatlichen Institutionen behindert wurden. Der Steller eines Antrags auf Verlängerung versäumter Fristen muss dem Gericht zusammen mit dem Antrag die Daten vorlegen, die die entsprechenden Umstände belegen.

1.2 Gerichtsorganisation und Justiz

Der Justizrat hat Empfehlungen an die Vorsitzenden der Gerichte bezüglich der Arbeitsorganisation in den jeweiligen Gerichten während der Quarantänezeit ausgesprochen, wobei die genaue Umsetzung im Ermessen jedes einzelnen Vorsitzenden liegt.

Zivilverfahren, wenn möglich im schriftlichen Verfahren, finden auf dem üblichen Weg statt. In Zivilsachen, in denen eine mündliche Verhandlung obligatorisch ist und die Parteien ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der Anhörung kundgetan haben, werden die anberaumten mündlichen Anhörungen auf unbestimmte Zeit vertagt, wobei die Verfahrensbeteiligten entsprechend informiert und mögliche vorläufige Anhörungstermine mit den Parteien vereinbart werden.

Mündliche Gerichtsverfahren sind beschränkt auf Zivilsachen, die der sofortigen Verhandlung bedürfen, etwa Zivilsachen betreffend die Erlaubnis des Gerichts zur Verlängerung einer nicht freiwilligen Hospitalisierung und/oder Behandlung, die Verbringung eines Kindes aus einer unsicheren Umgebung, Fälle gemäß der Zivilprozessordnung und Fälle, in denen der Organisation von mündlichen Sitzungen aus der Ferne Vorrang eingeräumt wird, wenn das Gericht die Mittel dazu hat.

In dringenden Fällen werden während der mündlichen Verhandlung Sicherheitsempfehlungen befolgt (soziale Distanzierung, Desinfektion des Gerichtssaals).

Gerichtliche Verfahrensentscheidungen werden mittels elektronischer Kommunikationsmittel übermittelt, wobei dem gerichtlichen Informationssystem Vorrang eingeräumt wird. In Ausnahmefällen werden Dokumente per E-Mail und auf dem normalen Postweg an Personen versandt, die keinen Zugang zum gerichtlichen Informationssystem haben. Verfahrensdokumente und sonstige Korrespondenz werden an Nichtverfahrensbeteiligte (z. B. Gerichtsvollzieher, Notare) über das staatliche elektronische Zustellungssystem oder per E-Mail und nur in Ausnahmefällen per Post versandt. Die Kommunikation bzw. Zusammenarbeit erfolgt mithilfe elektronischer Kommunikationsmittel, per Telefon.

Nach der Aussetzung der persönlichen Zustellung werden Verfahrensdokumente elektronisch empfangen oder per Post versandt.

Gerichtsvollzieher: Trotz des Übergangs zur Telearbeit ab 16. März 2020 leisten Gerichtsvollzieher während der Quarantänezeit weiterhin den Großteil ihrer regulären Dienste für Gläubiger und Schuldner. Da der direkte Kontakt begrenzt ist, erfolgt die Kommunikation zwischen den Gerichtsvollziehern bzw. ihren Mitarbeitern und den Verfahrensbeteiligten per Telefon, E-Mail, über die Website http://www.antstoliai.lt/ oder auf dem Postweg. Auch stellt die derzeitige Quarantäne kein Hindernis für die Übermittlung neuer Vollstreckungsbescheide dar: Schriftliche Vollstreckungsbescheide können den Gerichtsvollziehern per Post und elektronische Vollstreckungsbescheide per E-Mail oder über das Online-Informationssystem für Gerichtsvollzieher unter http://www.antstoliai.lt/ übermittelt werden. Während der Quarantänezeit sehen die Gerichtsvollzieher auch davon ab, neue Versteigerungen anzukündigen.

Was die Arbeitsorganisation bei Notaren betrifft, so werden derzeit Entwürfe zur Änderung des Gesetzes über den Notarberuf und des Zivilgesetzbuches ausgearbeitet. Darin ist vorgesehen, dass der Großteil der Notardienste online angeboten und aus der Ferne erbracht wird. In den Änderungsentwürfen wird vorgeschlagen, den Notaren das Recht einzuräumen, notarielle Beurkundungen aus der Ferne vorzunehmen und die entsprechenden Dokumente in elektronischer Form auszustellen. Die Informationen werden in staatliche Register und Informationssysteme eingepflegt. Besuche in Notarkanzleien wären ausschließlich der unmittelbaren Personenidentifizierung oder Testamentszwecken vorbehalten. Zudem sollen Notare ihre Beteiligung bei der Genehmigung bestimmter einfacherer Mandate ablehnen können, und es soll die elektronische Registrierung von Mandaten ermöglicht werden, die keiner notariellen Form bedürfen. Von den Fernbeurkundungsdiensten ausgeschlossen sind die Beurkundung und Verwahrung von Testamenten noch die Beglaubigung von Erklärungen, dass eine Person am Leben ist. Darüber hinaus sollten Notare keine Ferndienste erbringen, wenn sie der Meinung sind, dass sie die berechtigten Interessen eines Mandanten nur dann besser schützen können, wenn sie mit ihm persönlich zusammentreffen oder wenn sie das Testament einer Person aufsetzen, die Folgen notarieller Akte erläutern oder die Identität einer Person feststellen müssen.

Hinsichtlich der Bereitstellung von staatlich garantierter Prozesskostenhilfe wurden auf der entsprechenden Website Empfehlungen veröffentlicht. Es wird dringend empfohlen, persönlichen Kontakt zu vermeiden und die Bereitstellung von Prozesskostenhilfe mit Hilfe von Fernarbeitsmitteln zu organisieren, d. h. sämtliche Anträge sollten per E-Mail übermittelt werden und die Beratung sollte telefonisch, online oder mithilfe anderer Telekommunikationsmittel erfolgen. In dringenden Fällen, in denen die Beteiligung eines Anwalts an bestimmten Voruntersuchungen oder Gerichtsverfahren erforderlich ist, muss dieser gebührende Sorgfalt walten lassen, die nationalen Richtlinien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (Sicherheitsabstand, Hygiene usw.) befolgen und die Beteiligung am Verfahren verweigern, sofern keine angemessenen Schutzmaßnahmen getroffen werden (z. B. wenn der Raum nicht ausreichend belüftet wird, kein Desinfektionsmittel vorhanden ist oder Zweifel im Hinblick auf die Gesundheit anderer im Raum befindlicher Personen bestehen).

Die litauische Anwaltskammer hat ähnliche Empfehlungen für alle praktizierenden Rechtsanwälte in Litauen veröffentlicht.

1.3 Justizielle Zusammenarbeit in der EU

Der Großteil der behördlichen Mitarbeiter leistet Fernarbeit. Internationale Rechtshilfe wird zwar weiterhin geleistet, es muss jedoch bisweilen mit Verzögerungen gerechnet werden.

2 Von den Mitgliedstaaten nach Ausbruch der Pandemie erlassene oder geplante insolvenzbezogene Maßnahmen

2.1 Materiellrechtliche Insolvenzmaßnahmen und verbundene Maßnahmen mit Auswirkungen auf Verträge

2.1.1 Insolvenzaussetzung

2.1.1.1 Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (für Schuldner)

Am 21. April hat das Parlament das Gesetz über die Auswirkungen von COVID-19 auf die Insolvenz juristischer Personen erlassen:

Für einen Zeitraum von drei Monaten nach Aufhebung des Notstands Aussetzung der Pflicht des Schuldners, ein Insolvenz- oder Sanierungsverfahren zu beantragen.

Die Regierung ist befugt, diesen Zeitraum bis Ende 2020 zu verlängern.

2.1.1.2 Schuldnerschutz bezüglich Insolvenzanträgen durch Gläubiger

Das Gesetz über die Auswirkungen von COVID-19 auf die Insolvenz juristischer Personen umfasst folgende Maßnahmen:

Insolvenzanträge durch Gläubiger sind für die Dauer der Quarantäne eingeschränkt.

2.1.2 Aussetzung der Forderungsvollstreckung und der Vertragskündigung

2.1.2.1 Allgemeine/spezifische Moratorien für die Zwangsvollstreckung / bestimmte Arten der Zwangsvollstreckung

-

2.1.2.2 Aussetzung der Möglichkeit der Vertragskündigung (allgemeine/spezifische Verträge)

-

2.2 Aussetzung der Arbeit von Zivilgerichten, einschließlich Insolvenzgerichten, und Verfahrensaussetzungen

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise haben die litauischen Gerichte nach Möglichkeit das schriftliche Verfahren zur Verhandlung der Fälle angewandt. Zivilverfahren, wenn möglich im schriftlichen Verfahren, finden auf dem üblichen Weg statt. Es sei darauf hingewiesen, dass nach dem Gesetz über die Insolvenz juristischer Personen dem schriftlichen Verfahren Vorrang eingeräumt werden sollte. Mündliche Anhörungen in Insolvenzfällen sollten, soweit erforderlich, aus der Ferne unter Einsatz moderner Technologien organisiert werden.

2.3 Sonstige Insolvenzmaßnahmen (z. B. im Zusammenhang mit Anfechtungsklagen, Sanierungsplänen, informellen Vereinbarungen und gegebenenfalls Sonstigem)

Das Gesetz über die Auswirkungen von COVID-19 auf die Insolvenz juristischer Personen umfasst folgende Maßnahmen:

Die Berechnung von Fristen in Fällen, wo der Schuldner außerstande ist, den genehmigten Sanierungsplan einzuhalten und die Sanierung dadurch zum Stillstand kommen könnte, wird für einen Zeitraum von drei Monaten nach Aufhebung der Quarantäne ausgesetzt.

Die Regierung ist befugt, diesen Zeitraum bis Ende 2020 zu verlängern.

2.4 Verbundene nicht insolvenzbezogene Maßnahmen (Zahlungsstundungen, Bankdarlehen, Sozialabgaben, Krankenversicherung, Unternehmensbeihilfen)

Maßnahmen der Steuerbehörden:

  1. Stundung von Steuerzahlungen oder deren Zahlung in Raten entsprechend dem vereinbarten Zahlungsplan ohne Erhebung von Zinsen.
  2. Aussetzung der Maßnahmen zur Einholung von Steuerrückständen entsprechend den Plausibilitätskriterien.
  3. Freistellung der Steuerzahler von Bußgeldern und Verzugszinsen für die versäumte Erfüllung von Steuerpflichten.

Laut dem Immobilienkreditgesetz und dem Verbraucherkreditgesetz ist der Kreditgeber auf Antrag des Kreditnehmers unter bestimmten Bedingungen (z. B. bei Arbeitsplatzverlust oder Einkommenseinbußen von mindestens einem Drittel) dazu verpflichtet, die Zahlung der Kreditraten (außer Zinsen) bis zu drei Monate auszusetzen. Diese Verpflichtung der Verbraucherkreditgeber gilt seit Änderung des Verbraucherkreditgesetzes vom 19. März 2020.

Darüber hinaus hat die litauische Regierung ein umfassendes Konjunkturpaket für Unternehmen (mit Beihilfen, verschiedenen Freibeträgen und Zuschüssen, Steuer- und Kreditstundungen etc.) aufgelegt.

Letzte Aktualisierung: 21/10/2021

Die landessprachliche Fassung dieser Seite wird von der entsprechenden EJN-Kontaktstelle verwaltet. Die Übersetzung wurde vom Übersetzungsdienst der Europäischen Kommission angefertigt. Es kann sein, dass Änderungen der zuständigen Behörden im Original in den Übersetzungen noch nicht berücksichtigt wurden. Weder das Europäische Justizielle Netz (EJN) noch die Europäische Kommission übernimmt Verantwortung oder Haftung für Informationen, die dieses Dokument enthält oder auf die es verweist. Angaben zum Urheberrechtsschutz für EU-Websites sind dem rechtlichen Hinweis zu entnehmen.