Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Zivil- und Insolvenzsachen

Lettland
Inhalt bereitgestellt von
European Judicial Network
Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Zivilverfahren

1.1 Fristen in Zivilverfahren

Es sind schriftliche Zivilverfahren möglich, wenn die Rechte der Parteien nicht verletzt werden und die Gerichte dies für praktikabel halten. Anstatt Gerichtsverhandlungen zurückzustellen, hat Lettland auf schriftliche Gerichtsverfahren umgestellt, außer eine echte Gerichtsverhandlung ist unabdingbar oder es besteht eine hohe Dringlichkeit, den Fall zu prüfen, oder ein hohes Risiko einer schwerwiegenden Rechtsverletzung.

Ausschluss- bzw. Verjährungsfristen werden im Zeitraum vom 12. März 2020 bis 1. Juli 2020 ausgesetzt.

Vollstreckungsverfahren: Die maximale Frist für die freiwillige Erfüllung der Verpflichtungen aus Urteilen bezüglich der Rückgabe von Waren, der Eintreibung von Schulden oder der Räumung wird von 10 Tagen auf 60 Tage verlängert, außer in den Fällen, in denen das Urteil sofort vollstreckt werden sollte.

Handelspfand: Die Frist für Entscheidungen über die Leistung des Handelspfands wird von 30 auf 60 Tage verlängert.

1.2 Gerichtsorganisation und Justiz

Die Republik Lettland hat Richtlinien für die Organisation der Arbeit der Bezirks- (Stadt-) und Regionalgerichte während des Notstands herausgegeben. In diesen Leitlinien wird empfohlen, Anhörungen in dringenden Fällen nach Möglichkeit über Videokonferenz abzuhalten.

Wenn die Anhörung der persönlichen Anwesenheit bedarf, ist für den notwendigen Abstand zwischen den Personen zu sorgen und es müssen weitere Sicherheitsvorkehrungen (Lüftung der Räume usw.) getroffen werden.

Ab 12. Mai 2020 können die Gerichte bei der Überprüfung von Fällen wieder Gerichtsverhandlungen mit persönlicher Anwesenheit durchführen, wobei die vom Ministerkabinett erlassenen Vorgaben bezüglich der Ansammlung von Personen in geschlossenen Räumen zu beachten sind.

1.3 Justizielle Zusammenarbeit in der EU

Während des Notstands werden alle elektronisch (per E-Mail) übermittelten Ersuchen und dazugehörigen Unterlagen akzeptiert, wobei die Glaubwürdigkeit gewahrt werden muss. Rechtshilfeersuchen werden eingescannt, in PDF-Format umgewandelt und von der offiziellen E-Mail-Adresse des Justizministeriums an die entsprechenden Länder weitergeleitet. Rechtshilfeersuchen aus anderen Ländern können ebenfalls an die offizielle E-Mail-Adresse des Justizministeriums übermittelt werden.

Die justizielle Zusammenarbeit ist weiterhin gewährleistet, beispielsweise die Erledigung von Ersuchen um Zustellung von Schriftstücken oder Anhörungen per Videokonferenz.

2 Von den Mitgliedstaaten nach Ausbruch der Pandemie erlassene oder geplante insolvenzbezogene Maßnahmen

2.1 Materiellrechtliche Insolvenzmaßnahmen und verbundene Maßnahmen mit Auswirkungen auf Verträge

2.1.1 Insolvenzaussetzung

2.1.1.1 Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (für Schuldner)

-

2.1.1.2 Schuldnerschutz bezüglich Insolvenzanträgen durch Gläubiger

Gläubigern ist es bis zum 1. März 2021 nicht gestattet, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen eine juristische Person zu stellen, außer in Fällen, die mit der Nichterfüllung des Rechtsschutzverfahrens des Schuldners zusammenhängen (Sanierungs-verfahren).

Bis zum 30. Juni 2021 ist der Schuldner nicht verpflichtet, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen eine juristische Person zu stellen, es sei denn, 1) die Insolvenz wurde zu Beginn oder während der Liquidation festgestellt, 2) der Schuldner ist nicht in der Lage, den Plan des Rechtsschutzverfahrens einzuhalten, oder 3) der Schuldner hat dem Arbeitnehmer keinen vollen Lohn, keine Entschädigung für Schäden aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit gezahlt oder innerhalb von zwei Monaten nach dem für die Zahlung des Lohns vorgesehenen Tag keine Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung geleistet.

2.1.2 Aussetzung der Forderungsvollstreckung und der Vertragskündigung

2.1.2.1 Allgemeine/spezifische Moratorien für die Zwangsvollstreckung / bestimmte Arten der Zwangsvollstreckung

Das Moratorium für die Schuldenrückzahlung gilt nicht für verwaltungsrechtliche Beschlüsse, die bereits vollstreckt werden können, sobald sie in Kraft sind, d. h. schon vor Eintritt der Bestandskraft. Wird in einem Vollstreckungsverfahren eine Anordnung über die Pfändung der dem Schuldner zustehenden Gelder erlassen und wurde festgestellt, dass der Schuldner COVID-19 hat oder unter Quarantäne gestellt wurde, so kann der vereidigte Gerichtsvollzieher auf Antrag des Schuldners die dem Kreditinstitut oder einem anderen Zahlungsdienstleister übermittelte Anordnung über die Pfändung des Geldes aufheben. Nachdem eine Krankschreibung des Schuldners abgeschlossen ist, setzt der vereidigte Gerichtsvollzieher in diesem Fall die Einziehung der Barmittel des Schuldners bei dem Kreditinstitut oder einem anderen Zahlungsdienstleister fort, indem er eine neue Anordnung über die Pfändung des Geldbetrags vorbereitet und an das Kreditinstitut oder einen anderen Zahlungsdienstleister übermittelt, sofern dies durch die Umstände des konkreten Vollstreckungsfalls bestimmt wird.

In Vollstreckungsverfahren, die die Inbesitznahme von unbeweglichem Vermögen betreffen, und in Fällen, die die Räumung von Personen und Sachen von Grundstücken oder aus Räumlichkeiten betreffen, die in der in der Zivilprozessordnung festgelegten Mitteilung an den Schuldner über die Pflicht zur Vollstreckung eines Gerichtsurteils und zur Räumung des Grundstücks oder der Räumlichkeiten enthalten sind, legt der Gerichtsvollzieher eine Frist von mindestens 30 Tagen fest. Wird das Grundstück bzw. werden die Räumlichkeiten nicht innerhalb der vom vereidigten Gerichtsvollzieher gesetzten Frist geräumt oder ist der Schuldner nicht zu dem angegebenen Zeitpunkt dort anzutreffen, so bestimmt der vereidigte Gerichtsvollzieher ein Datum frühestens am dreißigsten Tag nach der Übermittlung der Mitteilung des vereidigten Gerichtsvollziehers.

2.1.2.2 Aussetzung der Möglichkeit der Vertragskündigung (allgemeine/spezifische Verträge)

-

2.2 Aussetzung der Arbeit von Zivilgerichten, einschließlich Insolvenzgerichten, und Verfahrensaussetzungen

Anstatt Gerichtsanhörungen zurückzustellen, hat Lettland auf schriftliche Gerichtsverfahren umgestellt, außer es ist eine ordnungsgemäße Gerichtsanhörung erforderlich. Das Gericht entscheidet, ob die Durchführung von Gerichtsanhörungen zunächst per Videokonferenz erfolgen soll, insbesondere, wenn juristische Personen teilnehmen, sowie in Fällen, in denen die Sache von einem Rechtsanwalt geführt wird.

Darüber hinaus dürfen Anträge auf Rechtsschutzverfahren, Insolvenzverfahren gegen juristische Personen und Insolvenzverfahren gegen natürliche Personen, solange die epidemiologische Sicherheit im Zusammenhang mit der Ausbreitung von COVID-19 gefährdet ist, elektronisch gestellt werden.

2.3 Sonstige Insolvenzmaßnahmen (z. B. im Zusammenhang mit Anfechtungsklagen, Sanierungsplänen, informellen Vereinbarungen und gegebenenfalls Sonstigem)

Die Durchsetzung von Schuldentilgungs-plänen (Teil eines Insolvenzverfahrens gegen eine natürliche Person) kann bis zum 30. Juni 2021 ausgesetzt werden; die Frist für die Umsetzung solcher Pläne wird um den Aussetzungszeitraum verlängert.

Sitzungen des Gläubigerausschusses können aus der Ferne stattfinden (gilt noch immer, wurde jedoch in das Insolvenzgesetz als ständige Bestimmung aufgenommen).

Bis zum 30 Juni 2021 kann die Umsetzung von Maßnahmenplänen bei Rechtsschutzverfahren für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren (bei neuen Plänen oder solchen, die bislang noch nicht verlängert wurden) festgelegt werden, solange die Mehrheit der in dem Insolvenzgesetz genannten Gläubiger zustimmt. Bis zum 30. Juni 2021 können Maßnahmenpläne bei Rechtsschutzverfahren, die bereits einmal verlängert oder ursprünglich für vier Jahre festgelegt wurden, um ein weiteres Jahr verlängert werden, solange die Mehrheit der im Insolvenzgesetz genannten Gläubiger zustimmt.

Darüber hinaus werden bei der Entscheidung über die Befriedigung von Arbeitnehmer-forderungen, die staatlich abgesichert sind, auch Einschränkungen für Insolvenzanträge durch Gläubiger berücksichtigt.

2.4 Verbundene nicht insolvenzbezogene Maßnahmen (Zahlungsstundungen, Bankdarlehen, Sozialabgaben, Krankenversicherung, Unternehmensbeihilfen)

Die Steuerzahler, die aufgrund der Verbreitung von COVID-19 die Frist für die Zahlung von Steuern versäumt haben, haben das Recht, bis zum 30. Juni 2021 bei der staatlichen Steuerbehörde eine Stundung der Steuern (für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren) zu beantragen. In diesem Fall wird kein Säumniszuschlag erhoben.

Die lokalen Gebietskörperschaften haben das Recht, andere Fristen für die Zahlung der Grundsteuer in den Jahren 2020 und 2021 festzulegen, die sich von den im Gesetz über die Grundsteuer festgelegten Fristen unterscheiden, und diese auf einen späteren Zeitraum innerhalb des jeweiligen Steuerjahres verschieben. Die lokalen Gebietskörperschaften erheben in diesem Fall keinen Säumniszuschlag.

Programm zur Verringerung der administrativen und finanziellen Hürden für Unternehmen aufgrund der langsamen Erstattung zu viel gezahlter Mehrwertsteuer, wodurch das verfügbare Betriebskapital der Unternehmen erhöht wird.

Verlängerung der Zahlungsfrist für die Grundsteuer (verfügbar 2020, 2021)

Für die von COVID-19 betroffenen Unternehmen und ihre Beschäftigten stehen mehrere Hilfsprogramme zur Verfügung, um die Erholung und das Wachstum zu gewährleisten:

  1. Zuschüsse für Steuerzahler in Leerlaufzeit im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, damit sie ihre Tätigkeiten fortsetzen können (verfügbar bis zum 30. Juni 2021),
  2. Zuschüsse für Steuerzahler zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise (verfügbar bis zum 30. Juni 2021),
  3. Zuschüsse für Unternehmen, die von der COVID-19-Krise betroffen sind, um den Fluss des Betriebskapitals sicherzustellen (verfügbar bis zum 30. Juni 2021),
  4. Garantien für Großunternehmen, die von der COVID-19-Ausbreitung betroffen sind (verfügbar bis zum 30. Juni 2021),
  5. Darlehen und entsprechende Zinszuschüsse für Unternehmen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit,
  6. Kleinstkredite und Start-up-Darlehen für Kapitalströme und Investitionen für KMU (verfügbar bis zum 31. Dezember 2023),
  7. Garantien für Reiseveranstalter (verfügbar bis zum 31. Dezember 2023),
  8. Aufschubgarantien für Darlehen (verfügbar bis zum 30. Juni 2021),
  9. Betriebskapital-darlehen (verfügbar bis zum 30. Juni 2021),
  10. Ausfuhrkreditbürgschaften (verfügbar bis zum 30. Juni 2021),
  11. Kapitalfonds für Großunternehmen (verfügbar bis zum 30. Juni 2021),
  12. Unterstützungs-programm zur Förderung der Beschäftigung in von COVID-19-Krisen betroffenen Ausfuhrunternehmen (verfügbar bis zum 31. November 2020),
  13. Unterstützungs-programm zur Förderung der Beschäftigung in von COVID-19 betroffenen Unternehmen der Tourismusbranche,
  14. Hilfen in Bezug auf die Betriebskosten für Hotels (verfügbar bis zum 18. Dezember 2020),
  15. Vergütung der Ausfallzeiten aufgrund der COVID-19-Ausbreitung und behördlicher Auflagen (verfügbar bis zum 30. Juni 2020),
  16. Programm zur Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und von Ausfuhren (verfügbar bis zum 31. Dezember 2023),
  17. Fortbildungsmaßnahmen zur Verbesserung der Kompetenzen der Beschäftigten (verfügbar bis zum 31. Dezember 2023).
Letzte Aktualisierung: 27/04/2023

Die landessprachliche Fassung dieser Seite wird von der entsprechenden EJN-Kontaktstelle verwaltet. Die Übersetzung wurde vom Übersetzungsdienst der Europäischen Kommission angefertigt. Es kann sein, dass Änderungen der zuständigen Behörden im Original in den Übersetzungen noch nicht berücksichtigt wurden. Weder das Europäische Justizielle Netz (EJN) noch die Europäische Kommission übernimmt Verantwortung oder Haftung für Informationen, die dieses Dokument enthält oder auf die es verweist. Angaben zum Urheberrechtsschutz für EU-Websites sind dem rechtlichen Hinweis zu entnehmen.