Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Zivil- und Insolvenzsachen

Frankreich
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European Judicial Network
Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Zivilverfahren

1.1 Fristen in Zivilverfahren

Verfahrensfristen, einschließlich Verjährungsfristen, die zwischen dem 12. März 2020 und einem Monat nach Beendigung des Notstands ablaufen, werden verlängert. Nach Ablauf des vorgenannten Zeitraums laufen alle Fristen normal weiter, jedoch nur für zwei Monate. Durch den längeren Zeitraum werden die Parteien jedoch nicht daran gehindert, Rechtsmittel einzulegen oder ihre Klagerechte während der Dauer des Notstands so weit wie möglich auszuüben.

Grundsätzlich bleiben die in den Verträgen vorgesehenen Erfüllungspflichten und -fristen unberührt, wobei für besondere Umstände (höhere Gewalt usw.) das nationale Recht Anwendung findet. Vertragliche Sanktionen bei Nichterfüllung seitens des Schuldners (Strafklausel, Kündigungsklausel usw.) werden jedoch vorübergehend aufgehoben, um Schwierigkeiten bei der Vollstreckung Rechnung zu tragen.

Gesetzlich vorgesehene Vertragsstrafen, Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen werden ebenfalls ausgesetzt bzw. verlängert.

1.2 Gerichtsorganisation und Justiz

Zwischen dem 17. März 2020 und dem 10. Mai 2020 haben sich die Gerichte nur mit dringenden Fällen befasst (Anhörungen betreffend bürgerliche Freiheiten und Sorgerechtsfragen in Zivilsachen, Vollstreckungen, Kinderschutz, dringende Fälle von Familiengerichten, einschließlich Schutzanordnungen, und dringende Verfahren wegen einstweiliger Anordnungen).

Ab dem 11. Mai 2020 haben die Gerichte ihre Tätigkeit in allen Rechtssachen schrittweise wieder aufgenommen.

Falls ein Gericht seine Arbeit nicht ausführen kann, kann ein anderes Gericht bestimmt werden, das sich mit dringenden Fällen befasst.

Gerichtsentscheidungen werden den Parteien über sämtliche Kommunikationskanäle, insbesondere per E-Mail oder Telefon, mitgeteilt (gelten aber nicht als dem Empfänger zugestellt).

Was Schutzmaßnahmen für Kinder und Erwachsene betrifft, so werden diejenigen Maßnahmen, die während des Notstands auslaufen, automatisch verlängert, sofern der Richter nicht anders entscheidet.

Fristen für Untersuchungs- und Mediationsmaßnahmen werden ausgesetzt und um weitere drei Monate bis 23. Juni 2020 verlängert.

Die Gerichtspräsidenten können den Zustrom von Menschen in die Gerichte regulieren und die Zahl der Personen festlegen, die einen Gerichtssaal betreten dürfen, damit die Regeln zur räumlichen Distanzierung eingehalten werden.

Sie können auch auf jeglichem Weg angerufen werden, wenn Personen in Fällen, in denen der Zugang begrenzt ist, die Teilnahme an einer Anhörung ersuchen.

Werden für eine Anhörung audiovisuelle oder andere elektronische Kommunikationsmittel genutzt, findet die Anhörung unter Umständen an mehreren Orten statt.

Und nicht zuletzt sei daran erinnert, dass die genutzten Kommunikationsmittel die Geheimhaltung der Beratungen gewährleisten müssen.

1.3 Justizielle Zusammenarbeit in der EU

Was die justizielle Zusammenarbeit betrifft, so werden Ersuchen in der üblichen Weise behandelt.

Zusammenarbeit in Familienangelegenheiten (Verordnung (EG) Nr. 2201/2003): Im Bereich der internationalen Kindesentführung und des Schutzes von Kindern arbeiten die Sachbearbeiter der französischen Zentralbehörde die meiste Zeit in Telearbeit und kommen mindestens einen Tag in der Woche in das Büro. Das bedeutet, dass neue Ersuchen per Post, Fax oder E-Mail übermittelt werden können.

Beweisaufnahme (Verordnung (EG) Nr. 1206/2001): Die Ersuchen werden in der üblichen Weise bearbeitet. Die Bearbeitungszeit ist unter Umständen etwas länger, da der Sachbearbeiter in Telearbeit arbeitet und nur einen Tag in der Woche im Büro ist, um die per Post oder Fax eingegangenen Ersuchen zu bearbeiten.

Zustellung von Schriftstücken (Verordnung (EG) Nr. 1393/2007): Unter den gegenwärtigen Umständen kann die Zustellung von Schriftstücken verlangsamt sein. Die Zustellung auf elektronischem Weg ist unter der Voraussetzung möglich, dass der Empfänger im Vorfeld seine Zustimmung gegeben hat.

Die Kommunikation mit der französischen Zentralbehörde gemäß diesen drei Verordnungen (Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 und Verordnung (EG) Nr. 1393/2007) erfolgt weiterhin per E-Mail (entraide-civile-internationale@justice.gouv.fr), aber auch per Post oder Fax.

Für die Kommunikation mit der französischen Zentralbehörde gemäß Verordnung (EG) Nr. 4/2009 über Unterhaltssachen kann folgende E-Mail verwendet werden: obligation.alimentaire@diplomatie.gouv.fr.

2 Von den Mitgliedstaaten nach Ausbruch der Pandemie erlassene oder geplante insolvenzbezogene Maßnahmen

2.1 Materiellrechtliche Insolvenzmaßnahmen und verbundene Maßnahmen mit Auswirkungen auf Verträge

2.1.1 Insolvenzaussetzung

2.1.1.1 Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (für Schuldner)

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2.1.1.2 Schuldnerschutz bezüglich Insolvenzanträgen durch Gläubiger

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2.1.2 Aussetzung der Forderungsvollstreckung und der Vertragskündigung

2.1.2.1 Allgemeine/spezifische Moratorien für die Zwangsvollstreckung / bestimmte Arten der Zwangsvollstreckung

In der Verordnung 2020-596 ist festgelegt, dass der Schuldner beim Gerichtspräsidenten eine allgemeine Aussetzung für die Dauer des Vergleichsverfahrens beantragen kann. In diesem Verfahren werden auch die Bedingungen für die Gewährung einer „Nachfrist“ geltend gemacht.

Siehe Verordnung 2020-596 - 20. Mai 2020.

Anmerkung (Maßnahmen, die nicht direkt im Zusammenhang mit COVID-19 erlassen wurden):

Im Rahmen eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens (procédures de sauvegarde ou de redressement judiciaire) gilt eine generelle Aussetzung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen (mit besonderen Ausnahmen).

Vor der Eröffnung eines Liquidationsverfahrens (procédure de liquidation judiciaire) oder eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens (procédure de sauvegarde ou redressement judiciaire) kann auf Antrag des Schuldners ein informelles und vertrauliches Verfahren (Vergleichsverfahren) eingeleitet werden. Geht ein Gläubiger während des Schlichtungsverfahrens außergerichtlich oder gerichtlich gegen den Schuldner vor, so kann der Schuldner beim Präsidenten des Gerichts beantragen, ihm eine „Nachfrist“ zu gewähren.

2.1.2.2 Aussetzung der Möglichkeit der Vertragskündigung (allgemeine/spezifische Verträge)

Anmerkung (Maßnahmen, die nicht direkt im Zusammenhang mit COVID-19 erlassen wurden):

Im Rahmen eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens (procédures de sauvegarde ou de redressement judiciaire) werden Gläubiger durch die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs daran gehindert, wesentliche noch zu erfüllende Verträge zum Nachteil des Schuldners zu kündigen oder zu ändern.

2.2 Aussetzung der Arbeit von Zivilgerichten, einschließlich Insolvenzgerichten, und Verfahrensaussetzungen

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2.3 Sonstige Insolvenzmaßnahmen (z. B. im Zusammenhang mit Anfechtungsklagen, Sanierungsplänen, informellen Vereinbarungen und gegebenenfalls Sonstigem)

Durch die Verordnung 2020-596 hat das Gericht die Möglichkeit, dem Schuldner eine Änderung und Verlängerung der Laufzeit seines gerichtlichen Sanierungskonzepts zu gewähren.

Geber von neuen Finanzierungen oder Zwischenfinan-zierungen können während eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens Anspruch auf Zahlungsvorrang haben (Zahlungsvorrang bei anschließender Insolvenz). Diese Vorrangstellung wird vom Gericht unter bestimmten Voraussetzungen gewährt.

Es werden vereinfachte Liquidationsverfahren für Einzelunternehmer und kleine Unternehmen ermöglicht.

Siehe Verordnung 2020-596 - 20. Mai 2020.

2.4 Verbundene nicht insolvenzbezogene Maßnahmen (Zahlungsstundungen, Bankdarlehen, Sozialabgaben, Krankenversicherung, Unternehmensbeihilfen)

Die wichtigsten symbolträchtigen Maßnahmen sind:

wirtschaftliche und finanzielle Maßnahmen zur Unterstützung von Geschäftstätigkeiten: eine staatliche Garantieregelung gilt für neue Geldkredite, die von Finanzinstituten gewährt werden (wobei bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen).

Sozialpolitische Maßnahmen: Unternehmen können unter außergewöhnlichen Umständen eine Kurzarbeitsregelung beantragen.

Weiterführende Informationen: https://www.economie.gouv.fr/covid19-soutien-entreprises/les-mesures

Letzte Aktualisierung: 21/10/2021

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