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Prozesskostenhilfe

Frankreich
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Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

In Frankreich wird die rechtliche Unterstützung als Prozesskostenhilfe (aide juridictionnelle) bezeichnet.

1 Welche Kosten sind mit einem Verfahren verbunden und wer hat sie normalerweise zu tragen?

Die durch einen Prozess entstehenden Kosten sind je nach Art und Schwierigkeit der Rechtssache sowie nach dem Verfahren und dem für die Sache zuständigen Gericht unterschiedlich.

Es lassen sich drei Arten von Kosten unterscheiden:

• Rechtsanwaltshonorare, die nicht tarifgebunden sind und daher zwischen Rechtsanwalt und Mandant frei vereinbart werden können; sie sind grundsätzlich vom Mandanten zu tragen, außer wenn er Prozesskostenhilfe erhält;

• Prozesskosten, die in Artikel 695 der Zivilprozessordnung (Code de procédure civile) abschließend aufgeführt sind und hauptsächlich Folgendes umfassen:

  1. die Vertretungsgebühren der Rechtsanwälte und bestimmter öffentlicher Vertreter (officiers publics oder officiers ministériels); die Vertretungsgebühren unterscheiden sich von den Honoraren;
  2. Verfahrenskosten für Gerichtsvollzieher;
  3. Kosten für Sachverständigengutachten und Ermittlungen;
  4. etwaige Zeugenentschädigungen, tarifgebunden;
  5. Verhandlungsgebühren der Anwälte;
  6. Auslagen: Kosten der von den Fachleuten für den Prozessbedarf verauslagten tariflichen Aufwendungen.

Die Prozesskosten sind von der unterliegenden Partei zu tragen. Dieser Grundsatz wird von Artikel 696 der Zivilprozessordnung festgelegt. Gleichwohl können Richter durch eine begründete Entscheidung die gesamten Kosten oder einen Teil davon der anderen Partei auferlegen; im letzteren Fall nehmen sie eine Kostenverteilung vor.

• die übrigen Kosten, die im Verfahren durch die Parteien anfallen, sind grundsätzlich von ihnen selbst zu tragen, sofern der Richter nicht anders entscheidet. Von dieser Befugnis kann der Richter sowohl in Straf- wie auch in Zivilsachen Gebrauch machen, wobei die Billigkeit oder die wirtschaftliche Lage der verurteilten Partei in angemessener Weise berücksichtigt werden. Er kann auch von Amts wegen erklären, dass von einer solchen Entscheidung Abstand genommen wird.

In Strafsachen übernimmt der Staat die Gerichtskosten. Der Verurteilte hat eine feste Verfahrensgebühr zu entrichten, deren Höhe von der Straftat abhängt.

2 Was genau versteht man unter Prozesskostenhilfe?

Die Prozesskostenhilfe ist ein Element des Systems der rechtlichen Unterstützung (das die im Gesetz von 1972 verankerten Regeln des Armenrechts ersetzte), das im Gesetz Nr. 91-647 vom 10. Juli 1991 über rechtliche Unterstützung, Prozesskostenhilfe und Unterstützung bei der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in außergerichtlichen Verfahren (loi no 91-647 du 10 juillet 1991 relative à l’aide juridique et relatif à l’aide juridictionnelle et à l’aide à l’intervention de l’avocat dans les procédures non juridictionnelles) geregelt ist.

Die rechtliche Unterstützung umfasst Folgendes:

  • Prozesskostenhilfe: Vollständige oder teilweise finanzielle Unterstützung, die vom Staat für Gerichts- und Berufungsverfahren, zur Durchsetzung von Entscheidungen und für vorgerichtliche Vergleichsverfahren sowie für einvernehmliche, außergerichtlich getroffene Scheidungsvereinbarungen gewährt wird;
  • Unterstützung bei der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in außergerichtlichen Strafverfahren, die als Alternative zur Strafverfolgung durchgeführt werden können (strafrechtlicher Vergleich, strafrechtliche Mediation usw.), oder während einer vorläufigen Festnahme, oder Unterstützung für Inhaftierte in Disziplinarangelegenheiten im Strafvollzug;
  • Unterstützung beim Zugang zum Recht (Information, Hilfestellung und kostenlose Rechtsberatung).

Prozesskostenhilfe und Unterstützung bei der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in außergerichtlichen Verfahren wird Personen gewährt, die ihre gesetzlichen Rechte geltend machen möchten und nur über geringe Mittel verfügen. Dabei werden die anfallenden Gebühren vollständig oder teilweise vom Staat übernommen; auch die Prozesskosten (für Rechtsanwalt, Gerichtsvollzieher, Notar usw.) werden übernommen. Die Unterstützung wird dem Betroffenen auf Antrag gewährt, sofern die Klage nicht unzulässig, unbegründet oder – insbesondere aufgrund der Anzahl der Klagen oder ihrer systematischen Art – missbräuchlich ist.

Die Prozesskostenhilfe kann vollständig oder teilweise gewährt oder verweigert werden. Durch eine Rechtsschutzversicherung oder ein anderes Sicherungssystem gedeckte Kosten werden grundsätzlich nicht übernommen. Gegebenenfalls wird der Anteil der entsprechend gedeckten Kosten von den vom Staat als Vorschuss geleisteten Beträgen abgezogen.

Die Prozesskostenhilfe ermöglicht der anspruchsberechtigten Person, unentgeltlich die Hilfe eines Rechtsanwalts oder eines Angehörigen eines anderen Justizberufs (z. B. Gerichtsvollzieher, Berufungsanwalt, Versteigerer usw.) in Anspruch zu nehmen, und befreit sie von den Gerichtskosten. Sie unterliegt den im vorstehend genannten Gesetz vom 10. Juli 1991 und im Dekret 2020-1717 vom 28. Dezember 2020 zur Durchführung des Gesetzes Nr. 91-647 vom 10. Juli 1991 über die rechtliche Unterstützung, Prozesskostenhilfe und Unterstützung bei der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in außergerichtlichen Verfahren (loi no 91-647 du 10 juillet 1991 relative à l’aide juridique et relatif à l’aide juridictionnelle et à l’aide à l’intervention de l’avocat dans les procédures non juridictionnelles) festgelegten Anspruchskriterien.

3 Habe ich Anspruch auf Prozesskostenhilfe?

Prozesskostenhilfe wird von der Prozesskostenhilfestelle (bureau de l’aide juridictionnelle) bei den ordentlichen Gerichten (Tribunal judiciaire, eine Kombination aus Land- und Amtsgerichten) gewährt, sofern bestimmte Kriterien in Bezug auf Einkommen, Staatsangehörigkeit, Wohnort und Zulässigkeit erfüllt sind.

Unter bestimmten Umständen kann die Hilfe auch nach Ausnahmeregelungen gewährt werden (siehe unten).

Einkommenskriterium:

Sie können Prozesskostenhilfe erhalten, wenn Ihr steuerliches Referenzeinkommen (revenu fiscal de référence) oder Ihre steuerliche Leistungsfähigkeit und Ihr Vermögen unterhalb der per Dekret festgelegten Grenzen liegen.

Am 1. Januar 2021 sind neue Vorschriften zur Änderung der Kriterien für den Zugang zu Prozesskostenhilfe in Kraft getreten. Für die Gewährung der Hilfe gilt nunmehr Folgendes:

- Steuerliches Referenzeinkommen (revenu fiscal de référence). Das steuerliche Referenzeinkommen entspricht der Höhe des von den Steuerbehörden berechneten und im Steuerbescheid angegebenen Jahreseinkommens. Die Grenzen für die Anspruchsberechtigung sind in Artikel 3 des Dekrets 2020-1717 vom 28. Dezember 2020 über Prozesskostenhilfe (décret 2020-1717 du 28 décembre 2020 relatif à l’aide juridictionnelle) festgelegt. So werden beispielsweise 2021 gestellte Anträge auf Prozesskostenhilfe auf Basis des im jüngsten Steuerbescheid genannten steuerlichen Referenzeinkommens geprüft. Ab dem 1. Januar 2021 darf das steuerliche Referenzeinkommen einer alleinstehenden Person den Betrag von 11 262 EUR (vollständige Prozesskostenhilfe) bzw. von 16 890 EUR (teilweise Prozesskostenhilfe) nicht übersteigen. Das zur Prüfung des Antrags auf Prozesskostenhilfe herangezogene steuerliche Referenzeinkommen entspricht dem Ihres steuerlichen Haushalts. Besteht der steuerliche Haushalt aus mehreren Personen, wird bei der Bestimmung der Obergrenzen das Einkommen all dieser Personen berücksichtigt. Wird jedoch die Prozesskostenhilfe in Verfahren im Rahmen einer Streitigkeit zwischen dem Antragsteller und einem Mitglied des steuerlichen Haushalts beantragt, so werden die Einkommensgrenzen einzeln geprüft; in solchen Fällen erfolgt die Prüfung der Anspruchsberechtigung auf der Grundlage der steuerlichen Leistungsfähigkeit.

  • Bewegliches Vermögen (vor allem Ersparnisse): Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, wenn der Wert des beweglichen Vermögens die Obergrenze für vollständige Prozesskostenhilfe (d. h. 11 262 EUR im Jahr 2020 für Alleinstehende) übersteigt.
  • Unbewegliches Vermögen (ausgenommen Hauptwohnsitz und Betriebsstätte): Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, wenn der Wert des unbeweglichen Vermögens die Obergrenze für teilweise Prozesskostenhilfe (d. h. 33 780 EUR im Jahr 2020 für Alleinstehende) übersteigt.
  • Besteht der steuerliche Haushalt aus mehreren Personen, wird bei der Bestimmung der Obergrenzen das bewegliche und unbewegliche Vermögen aller Personen berücksichtigt. Wird jedoch die Prozesskostenhilfe in Verfahren im Rahmen einer Streitigkeit zwischen dem Antragsteller und einem Mitglied des steuerlichen Haushalts beantragt, so werden die Vermögensgrenzen einzeln geprüft.
  • Zusammensetzung des steuerlichen Haushalts: Besteht der steuerliche Haushalt aus mehreren Personen, erhöhen sich die Einkommens- und Vermögensgrenzen:
    • um das 0,18-fache für die ersten beiden zusätzlichen Personen;
    • um das 0,1137-fache für alle weiteren Personen.

Opfern der schwersten Verbrechen (Angriffe auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit) und ihren Berechtigten hingegen wird die Prozesskostenhilfe ohne Berücksichtigung der Einkommenskriterien gewährt.

  • Kriterium der Staatsangehörigkeit:

Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben französische Staatsbürger/innen oder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) bzw. eines anderen Staats, die mit Aufenthaltsgenehmigung ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Frankreich haben. Prozesskostenhilfe für eine Rechtssache vor einem französischen Gericht können auch Ausländer/innen ohne Wohnsitz in Frankreich erhalten, die Staatsbürger/innen eines Staates sind, der ein internationales oder bilaterales Abkommen, das seinen Staatsangehörigen die Gewährung von Prozesskostenhilfe zuerkennt, mit Frankreich geschlossen hat.

Wohnsitzkriterium

Außer in den oben genannten Fällen gilt der Grundsatz des gewöhnlichen und rechtmäßigen Wohnsitzes in Frankreich.

Ausländern wird jedoch Prozesskostenhilfe ohne Erfüllung des Wohnsitzkriteriums gewährt, wenn sie minderjährig sind, als begleitete Zeugen auftreten, gegen sie ein Verfahren eingeleitet wurde, wenn sie Beschuldigte, Angeklagte, Verurteilte oder Zivilpartei sind, wenn sie einer Schutzanordnung nach Artikel 515-9 des Zivilgesetzbuchs unterliegen, wenn in ihrem Fall Urteilsabsprachen getroffen werden oder wenn gegen sie ein Verfahren in Bezug auf die im Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländer/innen nach bzw. in Frankreich und das Recht auf Asyl in Frankreich festgelegten Bedingungen anhängig ist.

  • Zulässigkeitskriterium:

Prozesskostenhilfe wird Personen gewährt, deren Rechtsverfolgung nicht als offenkundig unzulässig oder unbegründet erscheint. Diese Bedingung gilt nicht für die beklagte Partei im Verfahren, den zivilrechtlich Haftenden, den begleiteten Zeugen, die beschuldigte, angeklagte und die verurteilte Partei.

Im Revisionsverfahren wird der klagenden Partei die Prozesskostenhilfe verweigert, wenn kein ernsthafter Revisionsgrund vorgebracht werden kann.

Wenn die Prozesskostenhilfe mit dieser Begründung abgelehnt wurde, der Richter jedoch der von der klagenden Partei erhobenen Klage stattgegeben hat, werden dieser die aufgestellten oder getragenen Kosten, Auslagen und Honorare bis zur Höhe der Prozesskostenhilfe erstattet, die sie entsprechend ihren Einkommensverhältnissen erhalten hätte.

Besondere Umstände

Hat der Antragsteller für seinen Fall bereits Prozesskostenhilfe erhalten und hat die gegnerische Partei Rechtsmittel gegen die zugunsten des Antragstellers ergangene Entscheidung eingelegt oder erhebt der Antragsteller eine Klage vor dem Nationalen Asylrechtsgericht (Cour nationale du droit d’asile), wird die Prozesskostenhilfe ohne Berücksichtigung der Anspruchskriterien gewährt.

Ebenso können Personen, die die Anspruchskriterien nicht erfüllen, Prozesskostenhilfe erhalten, wenn ihr Fall aufgrund des Prozessgegenstandes von besonderem Interesse ist oder wenn die Prozesskosten voraussichtlich sehr hoch sein werden (Artikel 6 des Gesetzes vom 10. Juli 1991 über Prozesskostenhilfe).

4 Wird Prozesskostenhilfe für alle Verfahrensarten gewährt?

Prozesskostenhilfe wird den Parteien in Außerstreit- oder Streitverfahren vor allen Gerichten sowie für die Anhörung von Minderjährigen gewährt.

Sie kann für das gesamte Verfahren oder einen Teil davon sowie bei Vergleichsverfahren vor Klageerhebung gewährt werden.

Prozesskostenhilfe kann ebenfalls gewährt werden, um die Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung oder jeglichen anderen Vollstreckungstitels, einschließlich solcher aus anderen EU-Mitgliedstaaten außer Dänemark, zu erlangen.

5 Gibt es besondere Verfahren für dringende Fälle?

Wenn durch das Verfahren die wesentlichen Lebensbedingungen des Betroffenen bedroht sind - insbesondere im Falle einer Zwangsvollstreckung mit Pfändung von Gütern oder Ausweisung - kann eine vorläufige Gewährung von Prozesskostenhilfe ausgesprochen werden. In diesem Falle kann sie vom Vorsitzenden der Prozesskostenhilfestelle (Bureau de l‘aide juridictionnelle), aber auch vom zuständigen Gericht bzw. seinem Vorsitz ausgesprochen werden. In Strafsachen bietet das Verfahren die Möglichkeit, die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Dringlichkeitsfall (z. B. Eingreifen bei einer Erstvernehmung oder sofortiger Vorladung) auszusprechen.

Prozesskostenhilfe wird während des Verfahrens vorläufig gewährt und deckt alle Verfahrenshandlungen ab.

6 Wo kann ich ein Formular zur Beantragung von Prozesskostenhilfe erhalten?

Sie können das Antragsformular für Prozesskostenhilfe herunterladen und ausdrucken. Kopieren Sie dazu folgenden Link und geben ihn in Ihren Browser ein:

https://www.justice.fr/formulaire/demande-aide-juridictionnelle

Prozesskostenhilfe kann vor Einreichung der Klage oder während des Verfahrens beantragt werden.

Sie können auch nach Abschluss des Verfahrens Prozesskostenhilfe beantragen, beispielsweise zur Durchsetzung der gerichtlichen Entscheidung.

Sie erhalten das Antragsformular für Prozesskostenhilfe bei dem für Ihren Wohnort oder den Ort, an dem der Fall verhandelt werden soll, zuständigen Gericht sowie bei der „Justizstelle“ bei den Justiz- und Rechtszentren (Maisons de la Justice et du Droit), einem Schalter für Rechtsinformationen (Point d’Accès au Droit) oder einer Rechtsberatungsstelle (Relais d’Accès au Droit) in Ihrer Nähe. Die entsprechenden Standorte finden Sie auf folgender Website: http://www.annuaires.justice.gouv.fr/lieux-dacces-aux-droits-10111/.

Wenn Sie als Franzose/Französin im Ausland wohnhaft sind, können Sie das Formular auch in den Konsulaten oder im

Département de l'entraide, du droit international privé et européen, Ministère de la Justice,

Direction des affaires civiles et du sceau,

13 place Vendôme, 75042 Paris Cedex 01.

Wenn Sie als Ausländer/in nicht in Frankreich wohnhaft sind, können Sie das Formular für Prozesskostenhilfe bei der Zentralbehörde erhalten, die von Ihrem Land für die Weiterleitung internationaler Prozesskostenhilfeanträge benannt wurde. In den meisten Ländern ist dies das Justizministerium. Frankreich hat für die Entgegennahme, Bearbeitung und Zusendung der Anträge auf Prozesskostenhilfe in Zivil-, Handels-und Verwaltungssachen betreffend Personen, die in den Mitgliedstaaten des Europarats wohnhaft sind, die dem Europäischen Übereinkommen vom 27. Januar 1977 über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe beigetreten sind, die oben genannte Dienststelle des Justizministeriums (Bureau du droit de l’Union, du droit international privé et de l’entraide civile) bestimmt.

Wenn Sie Staatsangehörige/r eines EU-Mitgliedstaats mit Ausnahme Dänemarks sind und Ihren Wohnsitz in Frankreich haben oder Ihr Verfahren vor einem französischen Gericht verhandelt wird, könnten Sie in zivil- und handelsrechtlichen Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug Anspruch auf Prozesskostenhilfe gemäß der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003 haben. Für die Bearbeitung der Anträge auf diese Prozesskostenhilfe ist in Frankreich folgende Dienststelle zuständig:

Bureau de l’aide juridictionnelle

Service de l’accès au droit et à la justice et de l’aide aux victimes (SADJAV)

Ministère de la Justice

13 place Vendôme, 75042 Paris Cedex 01.

Hinweis: Demnächst können Sie Prozesskostenhilfe auch beim Unterstützungsdienst des Informationssystems für Prozesskostenhilfe (Système d’information de l’aide juridictionnelle) beantragen, das zurzeit an einigen Gerichten erprobt wird.

Über das Informationssystem für Prozesskostenhilfe kann Prozesskostenhilfe online beantragt und von den Prozesskostenhilfestellen entgegengenommen werden, was das Verfahren für die Betroffenen vereinfacht und die Bearbeitungszeit verkürzt.

7 Welche Belege muss ich meinem Antrag auf Prozesskostenhilfe beilegen?

Das Antragsformular für Prozesskostenhilfe ist auszufüllen und mit den erforderlichen Belegen (Steuerbescheid, Nachweise zur familiären Situation, zur Staatsangehörigkeit usw.) einzureichen; die entsprechenden Bestimmungen finden sich im Dekret vom 30. Dezember 2020 über den Inhalt des Antragsformulars für Prozesskostenhilfe und die Liste der beizufügenden Belege (arrêté du 30 décembre 2020 relatif au contenu du formulaire de demande d’aide juridictionnelle et à la liste des pièces à y joindre). Die Belege betreffen insbesondere die Einkommensverhältnisse (für Sie persönlich und die Personen, die gewöhnlich in Ihrem Haushalt leben), den Gegenstand Ihres Antrags und das mit der Sache befasste Gericht.

8 Wo reiche ich meinen Antrag auf Prozesskostenhilfe ein?

Sie können Ihren Antrag bei der Prozesskostenhilfestelle (Bureau de l’aide juridictionnelle) einreichen bzw. an die Prozesskostenhilfestelle schicken, die für Ihren Wohnort zuständig ist oder in dessen Zuständigkeitsbereich das Gericht liegt, das die Sache verhandelt.

Bei jedem ordentlichen Gericht (Tribunal judiciaire) (ehemals Landgericht (Tribunal de grande instance)) ist eine einzige Prozesskostenhilfestelle (Bureau de l‘aide juridictionnelle) eingerichtet, die Anträge auf Prozesskostenhilfe für Fälle bearbeitet, die vor diesem Gericht oder den folgenden Gerichten in seinem Zuständigkeitsbereich verhandelt werden: Ordenltliches Gericht (Tribunal judiciaire), Verwaltungsgericht (Tribunal administratif), Arbeitsgericht (Conseil de prud’hommes), Berufungsgericht (Cour d’appel) und Oberverwaltungsgericht (Cour administrative d’appel).

In Abweichung vom Prinzip des einheitlichen Ansprechpartners ist bei den folgenden Rechtsprechungsorganen jeweils eine eigene Anlaufstelle eingerichtet:

  • Kassationshof (Cour de cassation) als oberstes ordentliches Gericht;
  • Staatsrat (Conseil d’état) als oberstes Verwaltungsgericht;
  • Nationales Asylrechtsgericht (Cour nationale du droit d’asile).

9 Wie erfahre ich, ob ich Anspruch auf Prozesskostenhilfe habe?

Die Zustellung der Entscheidung der Prozesskostenhilfestelle (Bureau de l‘aide juridictionnelle) erfolgt an Ihren Wohnsitz.

Es gibt einen Online-Simulator, mit dem Sie ermitteln können, ob und in welchem Umfang Sie möglicherweise Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben:

https://www.justice.fr/simulateurs/aide-juridictionnelle

Die Simulation vermittelt Ihnen einen Überblick über Ihre möglichen Ansprüche auf Prozesskostenhilfe. Die Simulation ersetzt jedoch nicht die ordnungsgemäße Prüfung Ihres Antrags und lässt daher keinen Rückschluss auf die Entscheidung der Prozesskostenhilfestelle zu.

10 Was sollte ich tun, wenn ich Anspruch auf Prozesskostenhilfe habe?

Kontaktieren Sie Ihren (oder den Ihnen beigeordneten) Rechtsanwalt (oder Rechtspfleger wie Gerichtsvollzieher, Sachverständiger, Notar usw.), legen Sie den Sachverhalt dar und übermitteln Sie alle relevanten Informationen und Unterlagen.

Wenn Ihnen teilweise Prozesskostenhilfe gewährt wurde, müssen Sie mit dem Betreffenden das Zusatzhonorar vereinbaren, das Sie ihm zu zahlen haben. Dieser Betrag muss in einer Vereinbarung festgehalten werden, die Sie zu unterzeichnen haben.

11 Wer wählt meinen Rechtsanwalt aus, wenn ich Anspruch auf Prozesskostenhilfe habe?

Alle Betroffenen können ihren Rechtsanwalt frei wählen.

Wenn Sie einen eigenen Rechtsanwalt wählen, müssen Sie seinen Namen auf dem Antragsformular für Prozesskostenhilfe angeben.

Wenn Sie jedoch keinen Rechtsanwalt kennen, wird für Sie vom Präsidenten der Rechtsanwaltskammer beim ordentlichen Gericht (Tribunal judiciaire) (ehemals Landgericht (Tribunal de grande instance)) oder vom Präsidenten des mit der Klage befassten Gerichts ein Anwalt benannt.

12 Deckt die Prozesskostenhilfe sämtliche Kosten des Verfahrens?

Die in voller Höhe gewährte Prozesskostenhilfe deckt alle Verfahrenskosten, einschließlich der direkt an den Rechtsanwalt oder Angehörige eines anderen Justizberufs (Gerichtsvollzieher, Sachverständiger, Notar usw.) gezahlten Vergütungen ab. Diese wird anhand einer Gebührentabelle oder eines Tarifs für die jeweilige Verfahrensart berechnet.

13 Wer trägt die sonstigen Kosten, wenn ich nur teilweise Anspruch auf Prozesskostenhilfe habe?

Prozesskostenhilfe kann abhängig von Ihren Einkommensverhältnissen nach zwei vom Staat zu tragenden Sätzen, d. h. 55 % bzw. 25 %, teilweise bewilligt werden. Hierbei ist von Ihnen ein nicht tarifgebundenes Zusatzhonorar zu tragen, das unter Aufsicht des Präsidenten der Rechtsanwaltskammer, den Sie bei Streitigkeiten anrufen können, zwischen Ihnen und dem Rechtsanwalt vereinbart wird.

Mit der Bewilligung von teilweiser Prozesskostenhilfe ist der Empfänger ebenso wie bei vollständiger Prozesskostenhilfe von allen sonstigen Verfahrenskosten befreit.

14 Erstreckt sich die Prozesskostenhilfe auch auf Rechtsmittel?

  • Legen Sie selbst Rechtsmittel ein, müssen Sie einen weiteren Antrag einreichen, der unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Anspruchskriterien geprüft wird.
  • Legt hingegen die gegnerische Partei Rechtsmittel ein, bleibt Ihr Anspruch auf eine bereits gewährte Prozesskostenhilfe bestehen. Gleichwohl müssen Sie bei der Prozesskostenhilfestelle des ordentlichen Gerichts (Tribunal judiciaire), das für Ihren Wohnort zuständig ist oder in dessen Zuständigkeitsbereich das Berufungsgericht seinen Sitz hat, förmlich einen neuen Antrag stellen.
  • Wenn Sie bereits in den Vorinstanzen Prozesskostenhilfe erhalten haben und Revision einlegen wollen, bleiben die vorherigen Bewilligungsbescheide nicht gültig. Sie müssen einen Antrag bei der Prozesskostenhilfestelle (Bureau de l‘aide juridictionnelle) beim Kassationshof (Cour de Cassation) einreichen, die neben Ihren Einkommensverhältnissen die Zulässigkeit der beabsichtigten Beschwerde prüfen muss. Im Revisionsverfahren wird der klagenden Partei keine Prozesskostenhilfe gewährt, wenn kein ernsthafter Revisionsgrund vorgebracht werden kann.

15 Kann die Prozesskostenhilfe vor Abschluss des Verfahrens entzogen (oder sogar nach Beendigung des Verfahrens widerrufen) werden?

Die Prozesskostenhilfe kann Ihnen während des Verfahrens oder nach seinem Abschluss unter folgenden Bedingungen teilweise oder gänzlich entzogen werden (Artikel 50 des Gesetzes von 1991 und Artikel 65 bis 68 des Dekrets 2020-1717 vom 28. Dezember 2020 über Prozesskostenhilfe):

  • wenn die Hilfe infolge falscher Erklärungen oder durch Vorlage falscher Unterlagen gewährt wurde;
  • im Rahmen eines missbräuchlichen oder als prozessverschleppend und offenkundig unzulässig befundenen Verfahrens;
  • wenn der Wert des beweglichen oder unbeweglichen Vermögens des Empfängers der Prozesskostenhilfe im Laufe des Verfahrens deutlich steigt;
  • wenn Ihnen die rechtskräftig gewordene Entscheidung Mittel verschafft hat, die über die Höchstgrenzen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe hinausgehen;
  • wenn die äußeren Lebensumstände des Empfängers der Prozesskostenhilfe offenkundig nicht mit der Höhe des bei Prüfung der Anspruchsberechtigung berücksichtigten Jahreseinkommens vereinbar sind.

Wird entschieden, die Prozesskostenhilfe zu entziehen, so ist der Empfänger verpflichtet, den vom Staat gezahlten Betrag zurückzuzahlen.

16 Kann ich gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe vorgehen?

Wurde Ihnen die Prozesskostenhilfe verweigert, können Sie gegen die entsprechende Entscheidung ein Rechtsmittel einlegen.

Sie können selbst oder mit anwaltlichem Beistand Rechtsmittel einlegen.

Rechtsmittel können gegen Entscheidungen zur Gewährung vollständiger Prozesskostenhilfe eingelegt werden sowie gegen Entscheidungen zur Gewährung teilweiser Prozesskostenhilfe, wenn Sie vollständige Prozesskostenhilfe beantragt haben.

Das Rechtsmittel muss binnen 15 Tagen nach Benachrichtigung von der Entscheidung eingelegt werden.

In der Beschwerde ist anzugeben, aus welchen Gründen Sie die Entscheidung anfechten. Beispiel: Fehlerhafte Angaben zur Zahl der Personen in Ihrem Haushalt oder zur Höhe Ihrer Mittel.

Die Beschwerde ist per Einschreiben mit Empfangsbestätigung an die Prozesskostenhilfestelle zu richten, die die Entscheidung erlassen hat.

Sie müssen eine Kopie der angefochtenen Entscheidung beilegen.

Die Stelle, die die Entscheidung erlassen hat, leitet Ihren Antrag an die für die Prüfung des Rechtsmittels zuständige Behörde weiter. Welche Behörde für die Prüfung des Rechtsmittels zuständig ist, richtet sich nach dem Gericht, das für die Prüfung des Falls zuständig ist, für den Sie Prozesskostenhilfe beantragt haben.

Je nach Gericht sind folgende Behörden für die Prüfung des Rechtsmittels zuständig:


Gericht

Für die Prüfung des Rechtsmittels zuständige Behörde

Übliches Verfahren

Erster Präsident des Berufungsgerichts, dem das mit dem Fall befasste Gericht untersteht, oder des mit dem Fall befassten Berufungsgerichts

Nationales Asylrechtsgericht (Cour nationale du droit d’asile - CNDA).

Präsident des Nationalen Asylrechtsgerichts

Verwaltungsgericht

Präsident des Oberverwaltungsgerichts, dem das Gericht untersteht

Oberverwaltungsgericht

Präsident des mit dem Fall befassten Oberverwaltungsgerichts

Staatsrat

Präsident der Sektion Recht des Staatsrats

Kassationshof

Erster Präsident des Kassationshofs

Gericht für Kompetenzkonflikte

Präsident des Gerichts für Kompetenzkonflikte

Sobald Ihre Beschwerde geprüft wurde, werden Sie per Post von der Entscheidung benachrichtigt.

Diese neue Entscheidung ist endgültig und kann daher nicht mehr angefochten werden.

Hinweis:

  • Rechtsmittel, die von einem Rechtsanwalt beim Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts oder beim Präsidenten der Sektion Recht des Staatsrats eingelegt werden, sind über den Onlinedienst für Rechtsmittelverfahren Télérecours zu übermitteln.
  • Prozesskostenhilfe kann rückwirkend gewährt werden, wenn eine klagende Partei den Prozess gewonnen hat, obgleich ihr Prozesskostenhilfe mit der Begründung verweigert worden war, dass diese Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
Letzte Aktualisierung: 21/02/2022

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