Im Bereich der Ziviljustiz kommt für vor dem Ablauf des Übergangszeitraums eingeleitete und noch anhängige Verfahren weiterhin EU-Recht zur Anwendung. Die Informationen über das Vereinigte Königreich werden im gegenseitigen Einvernehmen bis Ende 2024 über das Europäische Justizportal verfügbar bleiben.

Elterliche Sorge und Umgangsrecht/Besuchsrecht

England und Wales
Inhalt bereitgestellt von
European Judicial Network
Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Was bedeutet der Ausdruck "Elterliche Verantwortung" in der Praxis? Was sind die Rechte und Pflichten des Inhabers elterlicher Verantwortung?

Die elterliche Verantwortung umfasst alle Rechte, Pflichten, Befugnisse, Verantwortlichkeiten und Vollmachten, die einem Elternteil gesetzlich in Bezug auf das Kind und dessen Vermögen zustehen. Dazu gehören Verpflichtungen dem Kind gegenüber (wie die Unterhaltspflicht), und sämtliche Rechte, die ein Elternteil im Fall des Todes des Kindes in Bezug auf dessen Vermögen haben kann. Nach dem Recht von England und Wales umfasst die elterliche Verantwortung keine Entscheidungen darüber, bei wem ein Kind leben und mit wem es Zeit verbringen soll.

2 Wer hat generell die elterliche Verantwortung für ein Kind?

Sind die Eltern eines Kindes verheiratet oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, tragen sowohl die Mutter als auch der Vater (oder der zweite weibliche Elternteil) die elterliche Verantwortung. Grundsätzlich tragen Mütter die elterliche Verantwortung; unverheiratete Väter oder ein zweiter weiblicher Elternteil, der mit der Mutter des Kindes weder verheiratet noch in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ist, kann diese durch eine Vereinbarung mit der Mutter, durch eine gerichtliche Anordnung oder durch die gemeinsame Eintragung der Geburt mit der Mutter des Kindes erlangen. Ein Stiefelternteil kann die elterliche Verantwortung entweder durch eine Vereinbarung mit dem Elternteil des Kindes, welches die elterliche Verantwortung trägt, oder durch eine gerichtliche Anordnung erlangen. Eine Person, die aufgrund gerichtlicher Anordnung den Aufenthalt eines Kindes bestimmen kann (child arrangements order), trägt für die Dauer dieser gerichtlichen Anordnung die elterliche Verantwortung (manchmal auch länger). Mit dem Erlass einer Adoptionsverfügung (adoption order) – sofern diese nicht aufgehoben wird – wird die elterliche Verantwortung ohne zeitliche Begrenzung übertragen. Spezielle Vormunde (siehe Antwort auf Frage 3) tragen die elterliche Verantwortung für die Dauer der Anordnung. Eine lokale Regierungsbehörde trägt die elterliche Verantwortung für ein Kind, wenn das Kind einer Sorgerechtsverfügung (care order) unterliegt. Gemäß Artikel 16 des Haager Kindesschutzübereinkommens von 1996 behält eine Person mit elterlicher Verantwortung diese bei, wenn das Kind nach einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts in England und Wales wohnhaft ist; die Ausübung dieser elterlichen Verantwortung erfolgt dann nach dem Recht von England und Wales.

3 Kann eine andere Person statt der Eltern ernannt werden, wenn diese die elterliche Verantwortung für ihre Kinder nicht ausüben können oder wollen?

Das Gericht kann zur Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung einen speziellen Vormund bestellen, wenn die Eltern nicht in der Lage sind, sich um ihr Kind zu kümmern. Ein Elternteil mit elterlicher Verantwortung kann für den Fall des eigenen Todes eine Person zum Vormund des Kindes bestellen. Die Kommunalbehörde (Sozialamt) trägt die elterliche Verantwortung, wenn sich das Kind in ihrer Obhut befindet.

4 Wie wird die Frage elterlicher Verantwortung für die Zukunft geregelt, wenn sich die Eltern scheiden lassen oder trennen?

Trennt sich ein Paar, wirkt sich dies – auch wenn das Paar unverheiratet ist – nicht auf die elterliche Verantwortung aus. Das Gericht kann die Ausübung der elterlichen Verantwortung einschränken, wenn es dies für angemessen hält. In einigen Fällen kann das Gericht die elterliche Verantwortung vollständig entziehen (nicht jedoch bei verheirateten Eltern).

5 Welche Formalitäten müssen beachtet werden, um eine Einigung der Eltern über die elterliche Verantwortung rechtlich bindend zu machen?

Zum Abschluss der Vereinbarung muss das Formular zur Vereinbarung über die elterliche Verantwortung ausgefüllt werden.

Weitere Informationen zu den Anschriften der Gerichte können der Website des Staatlichen Gerichtsdiensts (Her Majesty's Courts and Tribunals Service (HMCTS)) entnommen werden. Dem Formular sind hilfreiche Erläuterungen beigefügt. Da der Abschluss der Vereinbarung die rechtliche Stellung beider Elternteile erheblich beeinflusst, wird den Elternteilen empfohlen, vor dem Ausfüllen des Formulars Rechtsberatung einzuholen. Name und Anschrift eines sich in der Nähe befindlichen Rechtsanwalts können durch den vom Anwaltsverein angebotenen Dienst „Rechtsanwaltssuche“ (Law Society Find a Solicitor Service (00 44 (0)20 7242 1222)) oder bei den folgenden Stellen erhalten werden:

Unter bestimmten Umständen können sie auch Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen.

Die Eltern müssen sich ausweisen und ihre Unterschriften im Beisein eines bevollmächtigten Gerichtsbediensteten leisten. Als Nachweis, dass es sich tatsächlich um die Mutter des Kindes handelt, hat diese eine Kopie der vollständigen Geburtsurkunde des Kindes vorzulegen. Außerdem muss sie sich anhand eines Lichtbilds und einer Unterschrift ausweisen können (z. B. durch Vorlage eines Lichtbildausweises, eines amtlichen Ausweises oder eines Reisepasses). Der Vater muss sich ebenfalls anhand eines Lichtbilds und einer Unterschrift ausweisen können (z. B. durch Vorlage eines Lichtbildausweises, eines amtlichen Ausweises oder eines Reisepasses).

Wurde das Formular unterzeichnet und bezeugt, sollten zwei Kopien angefertigt werden. Das Original und die Kopien können entweder persönlich oder per Post an das folgende Gericht übermittelt werden:

Zentrales Familiengericht (Central Family Court)
First Avenue House
42-49 High Holborn
London WC1V 6NP

Das zentrale Familiengericht (Central Family Court) wird die Vereinbarung zu Protokoll nehmen und das Original aufbewahren. Die Kopien werden abgestempelt und an jeden Elternteil an die in der Vereinbarung angegebene Anschrift zurückgesandt. Die Vereinbarung tritt erst in Kraft, wenn sie beim zentralen Familiengericht eingegangen und zu Protokoll genommen wurde. Für die Eintragung einer Vereinbarung über die elterliche Verantwortung wird keine Gebühr erhoben. Betrifft die Vereinbarung mehr als ein Kind, so ist für jedes Kind ein gesondertes Formular auszufüllen.

6 Was sind andere Wege der Konfliktlösung, ohne vor Gericht zu gehen, wenn die Eltern nicht zu einer Einigung über die elterliche Verantwortung kommen können?

Es stehen Mediationsdienste zur Verfügung, die Eltern dabei unterstützen, eine zufriedenstellende Vereinbarung für die künftige Erziehung des Kindes zu treffen. Jede erzielte Vereinbarung ist beim Gericht zu verzeichnen. Dies ist erforderlich, damit die Vereinbarung gültig wird und durchsetzbar ist.

Weitere Informationen zur Familienmediation finden Sie auf der Website des Justizministeriums (Ministry of Justice).

7 Welche Angelegenheiten kann der Richter in Bezug auf das Kind entscheiden, wenn die Eltern vor Gericht gehen?

Der Richter kann darüber entscheiden, bei wem das Kind zu welchem Zeitpunkt leben soll. Der Richter kann außerdem darüber entscheiden, mit wem das Kind Zeit verbringt oder anderweitig Kontakt hat und zu welchem Zeitpunkt. Die Eltern werden gebeten, eine Vereinbarung bezüglich des Umgangs zu treffen. Die Gerichte sind jedoch – sollten sich die Eltern nicht einigen können – nicht für Unterhaltszahlungen an Kinder zuständig; für Angelegenheiten dieser Art ist der Kinderunterhaltsdienst (Child Maintenance Service) zuständig. Die Eltern einigen sich in der Regel darauf, welche Schule das Kind besuchen wird; sollte dahingehend jedoch keine Einigung erzielt werden, kann dies durch den Richter im Rahmen einer speziellen Anordnung entschieden werden. Ein Kind behält seinen eigenen Namen, sofern das Gericht nichts anderes anordnet. Das Gericht kann eine Person auch daran hindern, einen Teil ihrer elterlichen Verantwortung auszuüben, indem es eine Anordnung über untersagte Handlungen (prohibited steps order) erlässt. Das Gericht kann auch darüber entscheiden, ob es einen endgültigen Wegzug des Kindes aus seiner Gerichtsbarkeit und einen Wechsel des Nachnamens des Kindes zulässt (siehe Frage 8).

8 Bedeutet es, wenn das Gericht entscheidet, dass ein Elternteil die alleinige elterliche Verantwortung für ein Kind hat, dass er oder sie alle Angelegenheiten in Bezug auf das Kind entscheiden kann, ohne sich zuerst mit dem anderen Elternteil zu beraten?

Das Gericht erwartet von den Eltern, dass sie Entscheidungen gemeinsam und einvernehmlich treffen. Tragen beide Elternteile die elterliche Verantwortung, muss der Elternteil, der aufgrund gerichtlicher Anordnung den Aufenthalt des Kindes bestimmen kann, entweder die Zustimmung des nicht im Vereinigten Königreich ansässigen Elternteils (und jedes anderen Elternteils mit elterlicher Verantwortung) oder die des Gerichts einholen, um das Kind dauerhaft aus dem Vereinigten Königreich zu verbringen. Dem Elternteil, bei dem das Kind leben soll, steht es frei, sich innerhalb des Hoheitsgebiets (England und Wales) zu bewegen. Für die Änderung des Nachnamens des Kindes ist die Zustimmung aller Personen mit elterlicher Verantwortung oder die Genehmigung des Gerichts erforderlich.

9 Was bedeutet es in der Praxis, wenn das Gericht entscheidet, dass die Eltern die gemeinsame elterliche Verantwortung für ein Kind haben?

Die Eltern leben in einem Wechselmodell. Das Kind verbringt gemäß gerichtlicher Anordnung bei jedem Elternteil einen Teil seiner Zeit. Dies kann praktische Auswirkungen auf die Höhe des zu zahlenden Unterhalts an das Kind haben.

10 An welches Gericht oder welche Behörde soll ich mich wenden, um einen Antrag in Bezug auf die elterliche Verantwortung zu stellen? Welche Formalitäten müssen beachtet werden und welche Schriftstücke muss ich meinem Antrag beifügen?

Ein Antrag kann gemäß Abschnitt 4 des Gesetzes über Kinder von 1989 (Children Act 1989) an das Familiengericht gestellt werden. Weitere Informationen zu den Kontaktdaten der Gerichte finden Sie auf der Website des Staatlichen Gerichtsdienstes (Her Majesty's Courts and Tribunals Service). Das Antragsformular steht ebenfalls auf dieser Website zur Verfügung. Jeder Person mit elterlicher Verantwortung muss eine Kopie des Antragsformulars zugesandt werden. Unterlagen werden auf Anweisung des Gerichts zu einem späteren Zeitpunkt eingereicht.

11 Welches Verfahren findet in diesen Fällen Anwendung? Gibt es ein Eilverfahren?

Das Verfahren ist oben im Einzelnen beschrieben. Es gibt keine Dringlichkeitsverfahren zur Erlangung der elterlichen Verantwortung.

12 Kann ich Verfahrenskostenhilfe bekommen, um die Kosten des Verfahrens zu decken?

Prozesskostenhilfe wird nur gewährt, wenn häusliche Gewalt nachgewiesen wurde.

13 Ist es möglich, einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung in Bezug auf die elterliche Verantwortung einzulegen?

Ja. Eine von einem District Judge (Richter am County Court) ergangene Entscheidungen über die elterliche Verantwortung kann vor einem Circuit Judge (vorsitzende Richter am Crown Court bzw. County Court) angefochten werden. Ein Rechtsbehelf, der gegen eine vom District Judge des High Court erlassene Entscheidung eingelegt wurde, ist an einen Richter auf der Ebene des High Court zu richten.

14 In bestimmten Fällen kann es erforderlich sein, sich an ein Gericht oder eine andere Behörde zu wenden, um eine Entscheidung zur elterlichen Verantwortung zu vollstrecken. Welches Verfahren findet in solchen Fällen Anwendung?

Die elterliche Verantwortung ist ein Recht und kann an sich nicht durchgesetzt werden. Die Nichtausübung der elterlichen Verantwortung kann durch einen Antrag an das Familiengericht geregelt werden, das sich mit der spezifischen Streitfrage befasst (z. B. mit der Unterhaltspflicht für das Kind). Weitere Informationen zu den Anschriften der Gerichte finden Sie hier.

15 Was soll ich tun, um eine Entscheidung zur elterlichen Verantwortung, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen ist, in diesem Mitgliedstaat anerkennen und vollstrecken zu lassen?

Wenn Sie eine Anordnung über das Umgangsrecht oder über Artikel 11 Absatz 8 aus einem anderen Mitgliedstaat gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2001/2003 des Rates („Brüssel IIa“) vollstrecken wollen, sollten Sie die nach der Verordnung erforderliche Bescheinigung von dem Gericht einholen, das die Entscheidung erlassen hat, und die Anerkennung oder Vollstreckung der Anordnung bei der Hauptgeschäftsstelle unter der Anschrift des zentralen Familiengerichts beantragen. Für die Eintragung, Anerkennung oder Nichtanerkennung anderer Anordnungen sollten Sie sich an die Hauptgeschäftsstelle wenden.

16 An welches Gericht in diesem Mitgliedstaat soll ich mich wenden, um mich gegen die Anerkennung einer Entscheidung zur elterlichen Verantwortung zu wenden, die von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats getroffen wurde? Welches Verfahren findet in solchen Fällen Anwendung?

Sie müssten den Erlass der Anordnung vor dem Gericht mit der ursprünglichen Gerichtsbarkeit anfechten, bevor die Anordnung erlassen wird. Ist dies nach dem Recht des betreffenden Landes vorgesehen, sollte jeder, der ein Interesse an der Sache hat, darüber informiert werden, dass vor dem Gericht ein Antrag auf Erlass einer Anordnung verhandelt wird. Das Recht dieses Mitgliedstaats ist ausschlaggebend dafür, welche Maßnahmen Sie ergreifen können, um sich der erlassenen Anordnung zu widersetzen.

17 Welches Recht ist in einem Verfahren zur elterlichen Verantwortung anwendbar, wenn das Kind oder die Beteiligten nicht in diesem Mitgliedstaat leben oder unterschiedliche Staatsangehörigkeiten haben?

Das Verfahren muss vor dem Gericht des Ortes eingeleitet werden, an dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

 

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Letzte Aktualisierung: 09/08/2021

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