Elektronischer Rechtsverkehr und elektronische Kommunikation mit Gerichten

Ungarn
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European Judicial Network
Europäisches Justizielles Netz (für Zivil- und Handelssachen)

1 Ist es möglich, über das Internet ein Gerichtsverfahren anzustrengen?

Ja. Die detaillierten Bestimmungen für die elektronische Kommunikation mit den Gerichten sind unter https://birosag.hu/e-per-2018/e-kapcsolattartas-altalanos-tajekoztato und den entsprechenden Links zugänglich.

2 Wenn ja, für welche Arten von Rechtssachen steht der Online-Dienst zur Verfügung? Gibt es Verfahren, die ausschließlich über das Internet eingeleitet werden?

Eine wichtige Änderung gegenüber den bisherigen Bestimmungen über Verfahren, die über das Internet eingeleitet werden können, besteht darin, dass die Parteien bei bestimmten, ab dem 1. Januar 2018 eingeleiteten strittigen und unstrittigen Verfahren nicht nur die Möglichkeit haben, sondern vielmehr verpflichtet sind, ihre Angelegenheiten elektronisch zu erledigen. So sind in der Regel Wirtschaftsteilnehmer, der Staat, Gemeinden, Haushaltsbehörden, Staatsanwälte, Notare, öffentliche Einrichtungen sowie sonstige Verwaltungsstellen, die als Mandanten tätig sind, sowie Rechtsvertreter dieser Mandanten verpflichtet, ihre Angelegenheiten elektronisch zu erledigen.

Darüber hinaus dürfen bestimmte Arten von Rechtssachen nur elektronisch bearbeitet werden, unabhängig davon, ob die Parteien in einer der oben genannten Funktionen handeln. So kann beispielsweise ein Verfahren zur Eintragung eines Unternehmens (oder eine Änderung der Unternehmensdaten) nur elektronisch eingeleitet werden, und bei Personenstandseintragungen kann ein Antrag nur dann elektronisch gestellt werden, wenn z. B. der Antragsteller ein vereinfachtes Verfahren zur Eintragung (Datenänderung) beantragt oder eine Organisation einen Antrag auf Eintragung als gemeinnützige Einrichtung stellt, während Einrichtungen, die bereits gemeinnützige Einrichtungen sind, ihre Anträge erst nach dem genannten Datum elektronisch einreichen können.

Ein Antragsteller, der nicht zur elektronischen Kommunikation verpflichtet ist, kann seinen Antrag dennoch elektronisch einreichen.

3 Ist der Online-Dienst rund um die Uhr oder nur zu bestimmten Zeiten verfügbar? Falls Letzteres zutrifft, zu welchen Zeiten ist der Dienst verfügbar?

Der Dienst ist rund um die Uhr verfügbar. Ausnahmen bilden Zeiten, in denen planmäßige Wartungen des IT-Systems erfolgen oder Betriebsstörungen vorliegen. Die gesetzlich oder gerichtlich festgelegten Fristen in Tagen und Arbeitstagen umfassen keinen Tag (bei Fristen in Monaten und Jahren nicht das Ablaufdatum), an dem für eine Dauer von mehr als vier Stunden eine Störung oder eine Betriebsunterbrechung im Sinne der Gesetzgebung vorlag. Sollte eine in Stunden festgelegte Frist während einer Störung oder Betriebsunterbrechung im Sinne der Gesetzgebung verstreichen, so endet die Frist am Ende der ersten Stunde nach Beginn der Bürozeiten am nächsten Werktag. Wenn die Unterbrechung der elektronischen Dienste mehr als einen Werktag andauert, muss die Stelle, die elektronische Verwaltungsdienste erbringt, für den Empfang und die Verarbeitung der Anträge von Mandanten andere elektronische Mittel bereitstellen, selbst wenn die einschlägigen Rechtsvorschriften nur eine elektronische Verarbeitung für diese Art von Verfahren erlauben.

4 Müssen die Klagegründe in einem bestimmten Format übermittelt werden?

Wenn es ein Standardformular für die Antragstellung oder die Einreichung seiner Anlagen gibt, kann weder das Formular selbst noch das Format der Daten geändert werden. Die Formulare können unter https://birosag.hu/ eingesehen und mithilfe eines entsprechenden Programms zum Ausfüllen von Formularen ausgefüllt werden. Gemäß Regierungserlass Nr. 451/2016 vom 19. Dezember 2016 über die genauen Bestimmungen zur elektronischen Verwaltung und das nationale Justizamt sind folgende Dateiformate für Anlagen zu bestimmten elektronischen Gerichtsakten zulässig: .odt, .doc, .docx, .pdf, .txt, .xlsx, .ods, .tif, .tiff, .bmp, .jpg, .jpeg, .png, .mp4, .m4a, .avi, .mp3, .wav. Anlagen in den Formaten .dosszie, .dossirt, .es3, .etv, .eak, .et3, .nsack, .pdf, .asic oder .asice können an die Formulare angehängt werden. Es gilt zu beachten, dass an die Formulare angehängte Dateien nicht größer als 150 MB und alle Anlagen insgesamt nicht größer als 300 MB sein dürfen. Übersteigt die Gesamtgröße der Anlagen dennoch die Größenbeschränkung von 300 MB, so können die beizufügenden Dateien auf einem Speichermedium als Anlage mit dem dafür vorgesehenen Sonderformular Nr. 28 eingereicht werden. Dafür ist neben den Ausfertigungen für die Parteien ein weiteres Exemplar einzureichen. Das Gericht akzeptiert als Speichermedium für Anträge ausschließlich CD R-, CD R+, DVD R-, DVD R-, DVD R+ und USB-Stick.

5 Wie wird die Sicherheit der Datenübermittlung und Datenspeicherung gewährleistet?

Bei elektronischen Verfahren wird die Sicherheit der Datenübermittlung und Datenspeicherung durch IT-Instrumente zum Schutz der Kommunikations-, Zustellungs- und internen Fallbearbeitungssysteme gewährleistet. Die Verfahren dürfen online nur über ein „Client-Gateway“ („ügyfélkapu“), ein „Firmen-Gateway“ („cégkapu“) oder ein „offizielles Gateway“ („hivatali kapu“) nach vorheriger Registrierung durchgeführt werden. Die Übertragung und Speicherung von Daten wird beispielsweise durch elektronische Identifizierungsdienste, sichere Zustelldienste und elektronische Signaturdienste sowie durch die strengen Bestimmungen des Gesetzes L von 2013 über die elektronische Informationssicherheit der staatlichen und lokalen Behörden und anderer damit zusammenhängender Rechtsvorschriften sichergestellt.

So haben beispielsweise Antragsteller bei ihrer elektronischen Kommunikation die Möglichkeit, ihre Anträge neben dem vom Gericht freigegebenen Verschlüsselungscode auch mit einem eigenen Verschlüsselungscode zu verschlüsseln und an das Gericht zu senden. Bei Personen, die sich für die elektronische Kommunikation entschieden haben, erhält das Gericht den Verschlüsselungscode bei der elektronischen Übermittlung des Antrags. Diese Personen werden Schriftstücke vom Gericht zusammen mit dem Verschlüsselungscode zugestellt.

6 Bedarf es einer Art von elektronischer Signatur und/oder eines Zeitstempels?

Um seinen Antrag bei Gericht elektronisch einzureichen, muss der Unterzeichner

  • seine qualifizierte elektronische Signatur oder erweiterte elektronische Signatur oder sein Siegel auf der Grundlage eines qualifizierten Zertifikats auf dem elektronischen Dokument anbringen und mit einem Zeitstempel versehen (sofern dies gesetzlich vorgeschrieben ist),
  • die Echtheit des elektronischen Dokuments mit einem identifizierungsbasierten Dokumentenauthentifizierungsdienst nachweisen oder
  • das elektronische Dokument im Rahmen einer Dienstleistung erstellen, bei der der Dienstleister das Dokument der ausstellenden Person durch Identifizierung des Ausstellers zuordnet und die Zuordnung zu dieser Person glaubwürdig anhand von Informationen bescheinigt, die eindeutig auf eine handschriftliche Unterschrift des Ausstellers oder auf die Grundlage dieser Informationen zurückzuführen sind; darüber hinaus muss der Dienstleister bescheinigen, dass er dem Dokument eine Klausel, die mit dem elektronischen Dokument verknüpft und untrennbar mit diesem verbunden ist, eindeutig zugeordnet hat, und er die Klausel zusammen mit dem Dokument mit einem erweiterten elektronischen Siegel und zumindest mit einem erweiterten Zeitstempel versehen hat.

7 Fallen Gerichtsgebühren an? Wenn ja, wie sehen die Zahlungsmodalitäten aus und unterscheiden sie sich in ihrer Höhe von den Gebühren für nicht elektronische Verfahren?

Die Gerichts- und Verfahrensgebühren sind für herkömmliche Verfahren und elektronische Verfahren identisch.

Besteht eine Gebührenpflicht, so ist zusätzlich zur Angabe im Antrag auch im entsprechenden Gebührenfeld der zu zahlende Betrag (auf dem einzureichenden Formular) einzugeben. Die Gebühr kann nach Absenden des Formulars und Eingang der automatischen Empfangsbestätigung gezahlt werden. Die Gebühr kann über das elektronische Zahlungs- und Abrechnungssystem („Elektronikus Fizetési és Elszámolási Rendszer“ – EFER) bezahlt werden, das die Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung auf dem Portal für Gerichtszahlungen („Igazságügyi Fizetési Portál“) über eine VPOS/Home-Banking-Schnittstelle ermöglicht. Des Weiteren können die Gebühren auf das Konto des Landgerichts überwiesen werden, das zu diesem Zweck beim ungarischen Schatzamt geführt wird.

Im Falle von Verfahren zur Eintragung von Unternehmen (oder einer Änderung der Unternehmensdaten) sind die Gebühren für das Verfahren und die Veröffentlichungskosten vor Einreichung des Antrags auf Eintragung (oder Änderung der Daten) unter Angabe des Aktenzeichens für die Zahlung von Gebühren und Kosten, die von der Website des Dienstes für Unternehmensauskünfte heruntergeladen werden können, auf elektronischem Wege zu zahlen. Die Verfahrensgebühr ist auf das einschlägige Gebührenzahlungskonto des Handelsgerichts (cégbíróság) und die Veröffentlichungsgebühr auf das einschlägige Konto des Justizministeriums zu überweisen.

8 Ist es möglich, eine Klage, die über das Internet erhoben wurde, zurückzuziehen?

Es besteht keine Möglichkeit, einen elektronisch eingereichten Antrag zurückzuziehen. Eine Rücknahme des Verfahrens (bzw. sonstiger Anträge oder Rechtsmittel) ist ausschließlich im Rahmen der verfahrensrechtlichen Vorschriften möglich. Bei elektronisch geführten Verfahren gelten dieselben Rechte und Pflichten wie bei in Papierform geführten Verfahren.

9 Wenn über das Internet Klage erhoben wurde, kann bzw. muss der Beklagte auf demselben Weg antworten?

Die elektronische Verwaltung hängt nicht davon ab, wie der Antragsteller seine Angelegenheiten erledigen möchte; vielmehr kommt es darauf an, ob der Beklagte verpflichtet ist, seine Angelegenheiten elektronisch zu erledigen. Handelt es sich bei dem Beklagten um eine Person, die gemäß Frage 2 verpflichtet ist, ihre Angelegenheiten elektronisch zu erledigen, so kann der Beklagte in der Regel nur über das Internet unter Einhaltung der gesetzlich festgelegten Bedingungen Stellung zu dem Antrag nehmen, andernfalls ist seine Antwort unwirksam. In anderen Fällen steht es im Ermessen des Beklagten, ob er in Papierform oder elektronisch antwortet. Entscheidet er sich für den elektronischen Weg (d. h. übermittelt er seinen Schriftsatz elektronisch), so hat im Zuge des Verfahrens der weitere Schriftverkehr mit dem Gericht elektronisch zu erfolgen, wobei das Gericht der Partei sämtliche gerichtlichen Schriftstücke ebenfalls elektronisch übermittelt. Hat sich eine Partei, die ohne Rechtsvertretung vor Gericht steht, oder der Vertreter der Partei, der nicht als Rechtsvertreter gilt, verpflichtet, elektronisch mit dem Gericht zu kommunizieren, kann das Gericht anschließend im Zuge der Einreichung eines papiergestützten Antrags aufgefordert werden, den Übergang zu einem papiergestützten Verfahren zu genehmigen. Im Antrag muss darauf hingewiesen werden, dass eine elektronische Fortsetzung des Verfahrens aufgrund einer veränderten Situation der Partei oder ihres Vertreters eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würde.

10 Wie verläuft das elektronische Verfahren, wenn der Beklagte auf die Klage antwortet?

Für Verfahren in Papierform und elektronisch geführte Verfahren gelten dieselben verfahrensrechtlichen Vorschriften.

11 Wie verläuft das elektronische Verfahren, wenn der Beklagte nicht auf die Klage antwortet?

Siehe Antworten auf die Fragen 9 und 10.

12 Können einem Gericht Unterlagen in elektronischer Form zugeleitet werden? Wenn ja, in welcher Art von Verfahren und unter welchen Voraussetzungen ist dies möglich?

Ist im Einzelfall eine elektronische Verwaltung für die Partei zwingend vorgeschrieben oder hat sich die Partei dafür entschieden, so sind das Dokument und seine Anlagen auf einem Standardformular (sofern vorhanden) einzureichen. Das in diesem Fall zu verwendende Formular ist nicht editierbar. Stehen zur Übermittlung von Dokumenten oder Anlagen keine Formulare zur Verfügung, haben die Parteien die Schriftsätze und ihre Anlagen in einem der vom Präsidenten des Landesgerichtsamts genehmigten und unter Frage 4 aufgeführten Dokumentenformate einzureichen, und zwar nach den dort beschriebenen Bestimmungen. Ausnahmen von der Verpflichtung zur elektronischen Einreichung von Dokumenten sind gesetzlich festgelegt; demnach gilt es derzeit als Ausnahme, wenn ein Dokument im Rahmen des Verfahrens in Papierform vorgelegt und geprüft werden muss, was insbesondere der Fall sein kann, wenn die Echtheit eines papierbasierten Dokuments strittig ist.

13 Können gerichtliche Schriftstücke sowie insbesondere gerichtliche Entscheidungen über das Internet zugestellt werden?

Ja. Die Zustellung von Gerichtsdokumenten an Parteien, die elektronisch kommunizieren, erfolgt auf der Grundlage der in den Fragen 2 und 9 beschriebenen Bestimmungen elektronisch durch das Gericht. Elektronisch zugestellte Gerichtsdokumente werden über das Client-Gateway, das offizielle Gateway oder das Firmen-Gateway an die Online-Dokumentenablage des Absenders gesendet, wo das Dokument durch Öffnen des auf das Dokument verweisenden Internetlinks abgerufen werden kann. Das Dokument gilt beim Öffnen als zugestellt, und das System erzeugt eine elektronische Zustellbestätigung, die automatisch an das Gericht geschickt wird.

Das an die offizielle Anschrift zugestellte Schreiben gilt auch dann als zu dem in der Annahmeverweigerung angegebenen Zeitpunkt zugestellt, wenn der für die offizielle Anschrift zuständige Dienstleister bestätigt, dass der Empfänger die Annahme verweigert hat, oder am fünften Werktag nach dem in der zweiten Mitteilung angegebenen Zeitpunkt, wenn der für die offizielle Anschrift zuständige Dienstleister bestätigt, dass der Empfänger das Schreiben nicht angenommen hat, obwohl er zweimal informiert worden ist.

14 Können gerichtliche Entscheidungen in elektronischer Form ergehen?

Ja, siehe die Antwort auf Frage 13.

15 Ist es möglich, über das Internet Rechtsmittel einzulegen, und kann die diesbezügliche Entscheidung über das Internet zugestellt werden?

Eine Partei, die zur elektronischen Kommunikation verpflichtet ist oder sich dafür entschieden hat, muss auch Rechtsbehelfe elektronisch einlegen, wohingegen Parteien, die bis zur Einreichung von Rechtsbehelfen papierbasierte Dokumente verwendet haben, auch zum Zeitpunkt der Einlegung der Rechtsbehelfe zur elektronischen Verwaltung wechseln können. Die Entscheidung des Gerichts über den Rechtsbehelf wird auch einer Partei, die zur elektronischen Kommunikation verpflichtet ist oder sich für dieses Kommunikationsmittel entschieden hat, nach den unter Frage 13 beschriebenen Bestimmungen elektronisch zugestellt.

16 Ist es möglich, Vollstreckungsverfahren über das Internet einzuleiten?

Ja. Wenn die elektronische Verwaltung gesetzlich vorgeschrieben ist, ist die Einleitung des Verfahrens auf diese Weise zwangsläufig auch vorgeschrieben. Eine Partei, die keiner solchen Verpflichtung unterliegt, kann ein Verfahren auch auf elektronischem Wege einleiten; sie muss jedoch zunächst den Nutzungsbedingungen des Zustellungssystems der Ungarischen Gerichtsvollzieherkammer schriftlich zustimmen.

17 Können sich die Parteien oder ihre Rechtsvertreter online über eine Rechtssache informieren? Wenn ja, wie?

In bestimmten Verfahren, wie z. B. Gesellschaftsverfahren, ja.

Letzte Aktualisierung: 15/01/2024

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