Ordentliche Gerichte

Frankreich

Dieser Abschnitt bietet einen Überblick über die ordentliche Gerichtsbarkeit in Frankreich.

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Frankreich

Ordentliche Gerichtsbarkeit – Einführung

Gerichte erster Instanz

Zivilgerichte

1. Tribunal de grande instance

Das Tribunal de grande instance (Großinstanzgericht) entscheidet Rechtstreitigkeiten zwischen Privatpersonen (Zivil- und Handelssachen) mit einem Streitwert von mehr als 10 000 EUR.

Darüber hinaus hat es unabhängig vom Streitwert Zuständigkeiten in folgenden Bereichen:

  • Familienrecht: Ehe-, Abstammungs- und Adoptionssachen sowie Verschollenheitserklärungen (déclarations d’absence)
  • Berichtigung von Eintragungen im Personenstandsregister (état civil: Geburten, Eheschließungen, Todesfälle usw.)
  • Erbsachen
  • Geldbußen (amendes civiles), die gegen Standesbeamte (officiers d’état civil) verhängt werden
  • Eigentumsklagen (actions pétitoires) und Besitzschutzklagen (actions possessoires)
  • widerrechtlicher Gebrauch staatlicher Auszeichnungen in Gewerbebetrieben (récompenses industrielles)
  • Auflösung von Vereinen
  • Maßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit von Unternehmen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen werden (sauvegarde), sowie Verfahren nach Eintritt der Insolvenz, also Sanierung (redressement judiciaire) oder Abwicklung (liquidation judiciaire), sofern der Schuldner kein Kaufmann und auch nicht in die Handwerksrolle (répertoire des métiers) eingetragen ist
  • Versicherung der Landwirte, die auf selbstständiger Basis tätig sind, gegen Berufsunfälle und Berufskrankheiten
  • Eintragungsgebühren (droits d’enregistrement), Katastersteuern (taxes de publicité foncière), Stempelgebühren (droits de timbre), indirekte Steuern und andere Abgaben, die mit den genannten Gebühren und Steuern vergleichbar sind
  • Mietverträge für Geschäftsräume (baux commerciaux), ausgenommen Streitigkeiten über die Festsetzung des Mietzinses bei der Änderung oder Verlängerung von Mietverträgen, Mietverträge für von Handwerkern oder Freiberuflern genutzte Räume (baux professionnels) sowie befristete Verträge über die Nutzung von Räumen für gewerbliche Zwecke (conventions d’occupation précaire en matière commerciale)
  • Anfechtung der Echtheit (inscription de faux) von Urkunden (actes authentiques)
  • Zivilklagen wegen übler Nachrede (diffamation) oder Beleidigung (injure), unabhängig davon, ob die Tat in der Öffentlichkeit begangen wurde und ob dies in schriftlicher oder in mündlicher Form geschah
  • Streitigkeiten über die Begleichung, Sicherung oder Rückzahlung von Forderungen jeder Art, die von der Zollverwaltung eingezogen werden, sowie andere Zollsachen in den Fällen und unter den Voraussetzungen, die im Zollgesetzbuch festgelegt sind

Das Tribunal de grande instance setzt sich aus Berufsrichtern und Staatsanwälten (magistrats) zusammen: dem Präsidenten, den Vizepräsidenten und den Richtern sowie dem Leiter der Staatsanwaltschaft (procureur de la République), dessen Stellvertretern (vice procureurs) und den Staatsanwälten (substituts).

Einige Richter sind auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert und werden in erster Linie in Strafsachen tätig:

  • Der Jugendrichter (juge des enfants) ist befugt, Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Minderjähriger zu treffen und leichte und mittelschwere Straftaten (contraventions de cinquième classe, délits) zu verhandeln, die von Minderjährigen begangen wurden. Wenn der Richter Strafsachen in nichtöffentlicher Sitzung verhandelt, darf er nur Erziehungsmaßnahmen (mesures éducatives) verhängen. Wenn er als Vorsitzender des Jugendgerichts (Tribunal pour enfants) tätig wird, dem zwei ehrenamtliche Beisitzer (assesseurs) zur Seite gestellt sind, kann das Gericht sowohl Erziehungsmaßnahmen als auch Strafen verhängen.
  • Der Strafvollzugsrichter (juge de l’application des peines) legt die wesentlichen Modalitäten für den Vollzug freiheitsentziehender oder freiheitsbeschränkender Strafen fest. Falls der Verurteilte in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht ist, kann der Richter straferleichternde Maßnahmen anordnen, z. B. die Aufnahme einer Arbeit außerhalb der Anstalt, den halboffenen Strafvollzug, die Freilassung unter Auflagen oder die Freilassung mit elektronischer Überwachung. Falls der Verurteilte nicht inhaftiert ist, überwacht der Richter die Verbüßung der Strafe, z. B. wenn die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt ist (emprisonnement avec sursis et mise à l’épreuve), wenn der Verurteilte gemeinnützige Arbeit (travail d’intérêt général) leisten muss oder wenn er unter Führungsaufsicht (suivi socio-judiciaire) steht.
  • Der Untersuchungsrichter (juge d’instruction) muss unter der Aufsicht der Untersuchungskammer des Appellationshofs (chambre de l’instruction de la cour d’appel) alle Schritte unternehmen, die der Wahrheitsfindung dienlich sind. Er hat daher alle Beweismittel zu beschaffen, die einen Verdächtigen be- oder entlasten könnten. Wenn der Richter der Auffassung ist, dass die Untersuchung abgeschlossen ist, kann er die Einstellung des Verfahrens anordnen (ordonnance de non‑lieu) oder den Beschuldigten dem Strafgericht übergeben. Der Untersuchungsrichter wird nicht von Amts wegen tätig. Er muss von der Staatsanwaltschaft oder dem Opfer einer mutmaßlichen Straftat, das Klage erhebt und den Beitritt zum Verfahren als Nebenkläger beantragt (constitution de partie civile), mit der Untersuchung beauftragt werden.

Die meisten Tribunaux de grande instance haben ihren Sitz im Hauptort des Departements, manche aber auch in anderen Gemeinden. Am 1. Januar 2017 gab es in Frankreich 164 Tribunaux de grande instance.

2. Tribunal d’instance

Das Tribunal d’instance (Kleininstanzgericht) entscheidet Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatpersonen (Zivilsachen) mit einem Streitwert von bis zu 10 000 EUR. Für bestimmte Verfahren ist es unabhängig vom Streitwert ausschließlich zuständig, z. B. für Klagen auf Feststellung der Grenzen eines Grundstücks oder Räumungsklagen.

Das Tribunal d’instance hat sowohl Rechtsprechungsbefugnisse – z. B. in Bezug auf Lohn- und Gehaltspfändungen (saisies des rémunérations du travail), Leibrenten (rentes viagères), Probleme im Zusammenhang mit Wahlen oder Wohnungsmietverträge (baux d’habitation) – als auch Verwaltungsbefugnisse. So stellt der Leiter der Geschäftsstelle des Gerichts (Directeur des services de greffe judiciaire) z. B. Staatsangehörigkeitsbescheinigungen aus.

Der Richter am Tribunal d’instance verhandelt auch Vormundschaftssachen, es sei denn, sie betreffen Minderjährige, da für diese nach einem am 12. Mai 2009 verabschiedeten Gesetz der Familienrichter am Tribunal de grande instance zuständig ist. Der Vormundschaftsrichter am Tribunal d’instance betreut schutzbedürftige Erwachsene, indem er unter anderem die Verwaltung ihres Vermögens überwacht.

An einem Tribunal d’instance können ein oder mehrere Richter tätig sein, die Rechtssachen werden jedoch stets von einem Einzelrichter verhandelt.

In der Regel hat das Tribunal d’instance seinen Sitz im Hauptort des Arrondissements. Am 1. Januar 2017 gab es in Frankreich 307 Tribunaux d’instance.

3. Juridiction de proximité

Die Juridictions de proximité (Gerichte für Bagatellsachen) waren für zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Privatpersonen mit einem Streitwert von weniger als 4000 EUR zuständig.

Diese Gerichte wurden mit Wirkung vom 1. Juli 2017 abgeschafft (Gesetz Nr. 2011-1862 vom 13. Dezember 2011) und ihre Zuständigkeiten den Tribunaux d’instance übertragen.

4. Handelsgericht

Das Handelsgericht (Tribunal de commerce) entscheidet Rechtsstreitigkeiten aus Verträgen zwischen Kaufleuten, zwischen Kreditinstituten oder zwischen Kaufleuten und Kreditinstituten, Rechtsstreitigkeiten, an denen Handelsgesellschaften beteiligt sind, sowie Rechtsstreitigkeiten aus Handelsgeschäften zwischen Parteien gleich welcher Art. Zudem ist es für Verfahren, die Unternehmen in Schwierigkeiten betreffen, zuständig.

Am Handelsgericht sind keine Berufsrichter tätig, sondern Kaufleute und Führungskräfte von Unternehmen, die als ehrenamtliche Richter tätig sind. Sie werden für eine erste Amtszeit von zwei Jahren und anschließend für jeweils vier Jahre von einem Wahlgremium gewählt, das sich aus amtierenden und ehemaligen Handelsrichtern sowie Vertretern der Kaufleute (délégués consulaires) zusammensetzt. Bei den Vertretern der Kaufleute handelt es sich um Kaufleute oder Führungskräfte von Unternehmen, die alle fünf Jahre im Bezirk des Handelsgerichts gewählt werden. Ihre Aufgabe ist es, jedes Jahr an der Wahl der Handelsrichter teilzunehmen.

Am 1. Januar 2017 gab es 134 Handelsgerichte im französischen Mutterland, 7 Kammern für Handelssachen in den elsässischen Departements und im Departement Moselle sowie 9 gemischt besetzte Handelsgerichte in den überseeischen Gebieten.

Das Handelsgericht ist mit mindestens drei Richtern besetzt, sofern nichts anderes bestimmt ist.

Die Staatsanwaltschaft vertritt beim Handelsgericht die Interessen der Allgemeinheit. Sie muss in Verfahren, die Unternehmen in Schwierigkeiten betreffen, eine Stellungnahme abgeben.

Die Aufgaben der Geschäftsstelle des Handelsgerichts werden von einem Urkundsbeamten wahrgenommen, der ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist.

5. Arbeitsgericht

Das Arbeitsgericht (Conseil de prud’hommes) entscheidet Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die sich aus einem Arbeitsverhältnis ergeben (Gehalt, Arbeitszeiten, Mobbing, Sanktionen usw.). Am Arbeitsgericht sind ausschließlich ehrenamtliche Richter tätig, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten.

Das Arbeitsgericht gliedert sich in fünf Fachabteilungen: Führungskräfte, Industrie, Handel und gewerbliche Dienstleistungen, Landwirtschaft und sonstige Tätigkeitsbereiche. Kommt es bei der Entscheidung einer Sache zur Stimmengleichheit zwischen den vier Arbeitsrichtern, wird der Vorsitz von einem vom Präsidenten des Tribunal de grande instance ernannten Berufsrichter übernommen, der die ausschlaggebende Stimme hat.

In jedem Departement bestehen ein oder mehrere Arbeitsgerichte, mindestens eins im Bezirk jedes Tribunal de grande instance.

In Frankreich gibt es 210 Arbeitsgerichte.

Seit der Reform der Arbeitsgerichtsbarkeit im Jahr 2017 werden die Arbeitsrichter nicht mehr gewählt, sondern auf Vorschlag der repräsentativsten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände ernannt. Ihre Amtszeit beträgt vier Jahre.

6. Sozialgericht

Das Sozialgericht (Tribunal des affaires de sécurité sociale – TASS) entscheidet Rechtsstreitigkeiten zwischen Sozialversicherungskassen (caisses de sécurité socialeund Versicherten, z. B. wenn es um die Mitgliedschaft in einer Sozialversicherungskasse oder die Berechnung und Auszahlung von Leistungen geht.

Das Gericht besteht aus einem Präsidenten, der ein Berufsrichter am Tribunal de grande instance oder ein ehrenamtlicher Richter sein kann, einem Beisitzer, der die Arbeitnehmer vertritt, und einem Beisitzer, der die Arbeitgeber und die Selbstständigen vertritt. Die beiden Beisitzer werden vom Ersten Präsidenten des Appellationshofs, in dessen Bezirk das Gericht seinen Sitz hat, für drei Jahre auf der Grundlage einer Liste ernannt, die auf Vorschlag der repräsentativsten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände vom Leiter der Regionaldirektion für Jugend, Sport und sozialen Zusammenhalt für den Bezirk des betreffenden Gerichts zusammengestellt wurde.

In Frankreich gibt es 114 Sozialgerichte.

7. Gericht für Erwerbsunfähigkeitssachen

Das Gericht für Erwerbsunfähigkeitssachen (Tribunal du contentieux de l’incapacité – TCI) entscheidet Rechtsstreitigkeiten über die Invalidität oder Erwerbsunfähigkeit sozialversicherter Personen, das heißt, es stellt fest, ob bzw. in welchem Grad sie durch eine Berufskrankheit oder einen Arbeitsunfall erwerbsunfähig oder durch eine sonstige Krankheit oder einen sonstigen Unfall invalide geworden sind.

Das Gericht besteht aus einem Präsidenten, der ein ehrenamtlicher Richter oder eine fachlich qualifizierte Person sein kann und der durch Erlass des Justizministers ernannt wird, einem Beisitzer, der die Arbeitnehmer vertritt, und einem Beisitzer, der die Arbeitgeber und die Selbstständigen vertritt. Die beiden Beisitzer werden vom Ersten Präsidenten des Appellationshofs, in dessen Bezirk das Gericht seinen Sitz hat, für drei Jahre auf der Grundlage einer Liste ernannt, die auf Vorschlag der repräsentativsten Berufsverbände vom Leiter der Regionaldirektion für Jugend, Sport und sozialen Zusammenhalt für den Bezirk des betreffenden Gerichts zusammengestellt wurde.

In Frankreich gibt es 26 Gerichte für Erwerbsunfähigkeitssachen.

Mit Wirkung vom 1. Januar 2019 wurden die Rechtsstreitigkeiten, für die bis dahin die Sozialgerichte und die Gerichte für Erwerbsunfähigkeitssachen zuständig waren, sowie einige der Rechtsstreitigkeiten, für die die Departementsausschüsse für Sozialhilfe (Commissions départementales d’aide sociale – CDAS) zuständig waren, den Sozialabteilungen der Tribunaux de grande instance übertragen. Die genannten Fachgerichte wurden damit abgeschafft.

8. Paritätisches Landpachtgericht

Das Paritätische Landpachtgericht (Tribunal paritaire des baux ruraux) entscheidet Rechtsstreitigkeiten zwischen Eigentümern und Pächtern landwirtschaftlich genutzter Grundstücke im Zusammenhang mit Pacht (fermage) und Teilpacht (métayage), Viehpachtverträgen (baux à cheptel), Pachtverträgen, bei denen der Pächter zum Eigentümer dessen wird, was er auf dem Grundstück errichtet und anbaut (baux à domaine congéable), Kolonenverträgen, bei denen ein Teil der Ernte als Pachtzins zu entrichten ist (baux à complants), Erbpachtverträgen (baux emphytéotiques) und Verträgen über die Nutzung von Grundstücken als Weideflächen (contrats d’exploitation de terres à vocation pastorale).

Das Gericht wird von einem Richter am Tribunal d’instance geleitet. Diesem Vorsitzenden Richter sind vier ehrenamtliche Beisitzer zur Seite gestellt. Die Beisitzer, von denen zwei Eigentümer und zwei Pächter sind, werden aus ihren eigenen Reihen für sechs Jahre auf der Grundlage einer Kandidatenliste gewählt, die auf Vorschlag des Ausschusses für die Aufstellung der Wählerverzeichnisse vom Präfekten zusammengestellt wurde.

Seit der Reform der Paritätischen Landpachtgerichte im Jahr 2018 werden die Beisitzer nicht mehr gewählt, sondern ernannt, nachdem sie aus ihren eigenen Reihen nominiert und von den repräsentativsten Berufsverbänden vorgeschlagen wurden. Ihre Amtszeit beträgt sechs Jahre.

Strafgerichte

1. Assisenhof

Der Assisenhof (Cour d’assises) ist für die Aburteilung besonders schwerer Straftaten (crimes) zuständig, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens 10 Jahren bedroht sind.

In jedem Departement gibt es einen Assisenhof, der allerdings kein ständiges Gericht ist, sondern nur bei Bedarf zusammentritt. In großen Departements tagt der Assisenhof jedoch fast ständig.

Der Assisenhof besteht aus drei Berufsrichtern (dem Vorsitzenden, der Kammerpräsident oder Richter am Appellationshof ist, sowie zwei Beisitzern, die Richter am Appellationshof oder am Tribunal de grande instance des betreffenden Departements sind) und der Geschworenenbank, die mit sechs durch das Los bestimmten Bürgern besetzt ist. Der Assisenhof tritt als Jugendassisenhof (Cour d’assises des mineurs) zusammen, wenn er besonders schwere Straftaten verhandelt, die von Minderjährigen begangen wurden. In diesem Fall sind die beiden Beisitzer Jugendrichter.

Wenn sich der Assisenhof mit bestimmten besonders schweren Straftaten befasst, die unter die Terrorismusgesetze oder das Militärrecht fallen oder mit dem Drogenhandel in Verbindung stehen, ist er ausschließlich mit Berufsrichtern besetzt.

Die Staatsanwaltschaft ist durch einen Generalanwalt (avocat général) vertreten.

2. Tribunal correctionnel

Das Tribunal correctionnel (Strafgericht) ist für die Aburteilung mittelschwerer Straftaten (délits) zuständig, die mit einer Freiheitsstrafe von höchstens 10 Jahren oder einer Geldstrafe von mindestens 3750 EUR bedroht sind. Das Tribunal correctionnel ist dem Tribunal de grande instance angegliedert. Das Gericht ist in der Regel mit drei Berufsrichtern besetzt, jedoch sieht das Gesetz für bestimmte Straftaten eine Verhandlung vor dem Einzelrichter vor.

Die Staatsanwaltschaft ist durch ihren Leiter oder einen Staatsanwalt vertreten.

3. Tribunal de police

Bis zum 1. Juli 2017 war das Tribunal de police (Polizeigericht) für die Aburteilung besonders schwerer Ordnungswidrigkeiten (contraventions de cinquième classe) zuständig, hatte seinen Sitz beim Tribunal d’instance und war mit einem Einzelrichter besetzt, bei dem es sich um einen Richter am Tribunal d’instance handelte. Seit dem 1. Juli 2017 ist es für die Aburteilung aller Ordnungswidrigkeiten zuständig, hat seinen Sitz am Tribunal de grande instance und ist mit einem Richter des Tribunal de grande instance besetzt.

Die Staatsanwaltschaft ist durch ihren Leiter oder einen Staatsanwalt vertreten.

4. Juridiction de proximité

Bis zum 1. Juli 2017 waren die Juridictions de proximité (Gericht für Bagatellsachen) für die Aburteilung leichter bis schwerer Ordnungswidrigkeiten (contraventions de la première à la quatrième classe) zuständig, hatten ihren Sitz an den Tribunaux d’instance und waren mit einem Einzelrichter besetzt, bei dem es sich um einen Richter der Juridiction de proximité handelte.

Die Aufgaben der Staatsanwaltschaft wurden in der Regel von einem Polizeikommissar wahrgenommen. Diese Gerichte wurden mit Wirkung vom 1. Juli 2017 abgeschafft und ihre Zuständigkeiten den Tribunaux de police übertragen, die seit diesem Tag den Tribunaux de grande instance angegliedert sind.

5. Spezialisierte Strafgerichte

Es gibt auch Strafgerichte, die sich nur mit bestimmten Arten von Strafsachen befassen, z. B. die Seehandelsgerichte (Tribunaux maritimes commerciaux), von denen es derzeit sechs gibt und die für die Aburteilung bestimmter Straftaten zuständig sind, die auf See begangen wurden.

Gerichte zweiter Instanz

Der Appellationshof (Cour d’appel) verhandelt Appellationen (appels) gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte und prüft dabei Sach- und Rechtsfragen.

Am Appellationshof sind ausschließlich Berufsrichter tätig: der Erste Präsident (premier président), die Kammerpräsidenten (présidents de chambre) und die Richter am Appellationshof (conseillers). Dies gilt allerdings nicht für den Appellationsassisenhof (Cour d’assises d’appel), auf den unten eingegangen wird.

Der Appellationshof ist in mehrere Kammern gegliedert, darunter verschiedene Fachkammern (für Zivil-, Sozial-, Handels- und Strafsachen).

Rechtsmittel gegen das Urteil eines Assisenhofs werden von einem anderen Assisenhof, dem Appellationsassisenhof (Cour d’assises d’appel) verhandelt, der von der Strafkammer des Kassationshofs bestimmt wird. Beim Appellationsassisenhof ist die Geschworenenbank mit neun Bürgern besetzt.

Der Nationale Gerichtshof für Erwerbsunfähigkeitssachen und die Tarife der Arbeitsunfallversicherung (Cour nationale de l’incapacité et de la tarification de l’assurance des accidents du travail) war für Rechtsmittel zuständig, die gegen Entscheidungen der Gerichte für Erwerbsunfähigkeitssachen (Tribunaux du contentieux de l’incapacité) eingelegt wurden. Ferner entschied er in erster und letzter Instanz Rechtsstreitigkeiten über die Tarife der Arbeitsunfallversicherung. Die Staatsanwaltschaft war durch den Generalstaatsanwalt (procureur général), einen Generalanwalt (avocat général) oder einen Staatsanwalt (subsitut général) vertreten.

Dieses Gericht wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2019 abgeschafft.

Kassationshof

Der Kassationshof (Cour de cassation) ist das oberste ordentliche Gericht. Er hat seinen Sitz in Paris. Seine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Entscheidungen der untergeordneten Gerichte mit dem Recht im Einklang stehen. Er nimmt keine erneute Würdigung des Sachverhalts vor. Der Kassationshof ist kein Gericht dritter Instanz, sondern gewährleistet als Hüter des Rechts und der Rechtmäßigkeit die Einheitlichkeit der Rechtsprechung.

Die ordentlichen Gerichte können dem Kassationshof Rechtssachen „zur Stellungnahme“ vorlegen, um seine Meinung zu einer sich in mehreren Rechtssachen stellenden neuen Rechtsfrage einzuholen, die besondere Schwierigkeiten bereitet.

Der Kassationshof wird jedoch vor allem tätig, wenn eine Partei, gegen die eine Gerichtsentscheidung ergangen ist, oder die Staatsanwaltschaft Kassationsbeschwerde (pourvoi en cassation) erhebt.

Gelangt der Kassationshof zu der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung nicht im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften zustande gekommen ist, „kassiert“ er die Entscheidung (casse la décision) und hebt sie damit auf. Anschließend wird die Sache zur Neuverhandlung an ein anderes Gericht zurückverwiesen.

Anderenfalls weist er die Kassationsbeschwerde zurück, sodass die angefochtene Entscheidung rechtskräftig wird.

In Ausnahmefällen kann er eine Entscheidung aufheben, ohne die Sache zur Neuverhandlung an ein anderes Gericht zurückzuverweisen, wenn die Kassation keine erneute Entscheidung in der Sache erforderlich macht. In Zivilsachen kann er auch in der Sache entscheiden, wenn dies im Interesse einer ordnungsgemäßen Rechtspflege gerechtfertigt ist. In Strafsachen kann er die Entscheidung aufheben, ohne die Sache zur Neuverhandlung an ein anderes Gericht zurückzuverweisen, und den Rechtsstreit beenden, wenn er die einschlägigen Rechtsvorschriften auf der Grundlage des vom Tatrichter festgestellten und gewürdigten Sachverhalts selbst anwenden kann.

Der Kassationshof ist in Kammern (chambres) gegliedert: drei Zivilkammern, eine Kammer für Handelssachen, eine Kammer für Sozialsachen und eine Strafkammer, die jeweils mit einem Präsidenten und weiteren Berufsrichtern besetzt sind. Je nach Art der Rechtssache kann er auch als gemischte Kammer (chambre mixte) oder als Plenum (assemblée plénière) entscheiden. Die gemischte Kammer umfasst mindestens drei Kammern. Das Plenum besteht aus dem Ersten Präsidenten, den Präsidenten und den ranghöchsten Richtern der Kammern sowie einem weiteren Richter aus jeder Kammer.

Die Staatsanwaltschaft ist durch den Generalstaatsanwalt und Generalanwälte vertreten.

Rechtsdatenbanken

In Frankreich sind die Rechtsdatenbanken als öffentliche Dienstleistung über das Internet zugänglich. Über Légifrance können die Urteile des Kassationshofs und der Appellationshöfe abgerufen werden:

  • in der Datenbank „CASS“ die veröffentlichen Urteile des Kassationshofs
  • in der Datenbank „INCA“ nicht veröffentlichte Urteile
  • in der Datenbank „CAPP“ die Urteile der Appellationshöfe

Ist der Zugang zur Datenbank kostenlos?

Ja, der Zugang zur Datenbank ist kostenlos.

Kurze Beschreibung des Inhalts

Die Urteile liegen in französischer Sprache vor, einige Urteile auch in englischer, arabischer oder chinesischer Übersetzung.

  • Die Datenbank „CASS“ hat einen Bestand von 120 000 Urteilen, und jedes Jahr kommen 2100 hinzu.
  • Die Datenbank „INCA“ hat einen Bestand von 246 000 Urteilen, und jedes Jahr kommen 10 000 hinzu.
  • Die Datenbank „CAPP“ hat einen Bestand von 19 000 Urteilen, und jedes Jahr kommen 20 000 hinzu.

Links zum Thema

Gerichtliche Zuständigkeit – Frankreich

Letzte Aktualisierung: 15/04/2020

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