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Ordentliche Gerichte

England und Wales

Diese Seite informiert über die ordentliche Gerichtsbarkeit in England und Wales.

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England und Wales

Nachstehend werden die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit in England und Wales beschrieben. Weitere Einzelheiten finden Sie auf der Website von Her Majesty's Courts and Tribunals Service, der alle Gerichte mit Ausnahme des Supreme Court verwaltet und unterstützt.

Supreme Court

Am 1. Oktober 2009 übernahm der Supreme Court of the United Kingdom die Zuständigkeiten des Appellate Committee (Rechtsmittelausschuss) des House of Lords. Er übernahm auch die Aufgaben, die zuvor dem Judicial Committee (Justizausschuss) des Privy Council übertragen waren (der Privy Council ist die höchste Rechtsmittelinstanz für mehrere unabhängige Länder des Commonwealth, überseeische Gebiete des Vereinigten Königreichs sowie Besitzungen der britischen Krone).

Der Supreme Court ist das höchste Rechtsmittelgericht für Straf- und Zivilsachen im Vereinigten Königreich, außer für Strafsachen in Schottland, wo kein Rechtsmittel beim Supreme Court eingelegt werden kann. Ein Rechtsmittelverfahren vor dem Supreme Court wird in der Regel nur dann zugelassen, wenn die streitige Rechtsfrage von Bedeutung für die Öffentlichkeit ist.

Court of Appeal

Der Court of Appeal besteht aus zwei Abteilungen, der Strafrechtsabteilung und der Zivilrechtsabteilung, deren Verhandlungen in der Regel in London stattfinden.

Die Criminal Division (Strafrechtsabteilung) unter dem Vorsitz des Lord Chief Justice (Lordoberrichter) entscheidet über Rechtsmittel von Personen, die vom Crown Court verurteilt wurden, gegen den Schuldspruch oder das Strafmaß. Die Strafrechtsabteilung des Court of Appeal kann einen Schuldspruch aufheben oder bestätigen, die Wiederaufnahme des Verfahrens anordnen oder das Strafmaß ändern (aber nicht erhöhen). Wird eine Sache allerdings vom Attorney General (Generalstaatsanwalt) vor den Court of Appeal gebracht, so ist das Gericht befugt, das Strafmaß zu erhöhen, wenn es ihm unverhältnismäßig milde erscheint.

Die Zuständigkeit des Gerichts erstreckt sich auch auf Eilverfahren, z. B. den vorläufigen Rechtsschutz bei Einschränkungen der Pressefreiheit oder staatlich auferlegten Zugangsbeschränkungen, auf von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel sowie auf diverse Rechtsmittel nach dem Proceeds of Crime Act 2002 (Gesetz über Erträge aus Straftaten). Darüber hinaus befasst sich das Gericht mit Rechtsmitteln in Militärgerichtssachen.

Die Strafrechtsabteilung tritt in der Regel in einer Besetzung mit drei Richtern zusammen, die ein (mit Mehrheit gefälltes) Urteil als Entscheidung des Gerichts verkünden.

Die Civil Division (Zivilrechtsabteilung) des Court of Appeal wird vom Master of the Rolls geleitet. Sie befasst sich hauptsächlich mit Rechtsmitteln gegen Entscheidungen des High Court (bzw. seiner Abteilungen für Zivil-, Wirtschafts- und Familiensachen – Chancery, Queen's Bench und Family Division), der County Courts (Grafschaftsgerichte) in ganz England und Wales sowie bestimmter Tribunals (Schieds- und Beschwerdestellen). In der Regel bilden drei Lord Justices (Lordrichter) einen Spruchkörper. Im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung können sie jede Anordnung erlassen, die das vorinstanzliche Gericht ihrer Auffassung nach hätte erlassen müssen. In manchen Fällen wird eine Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet.

Zeugen werden beim Court of Appeal selten gehört. Die Entscheidungen werden in der Regel auf der Grundlage von Schriftstücken, Verhandlungsprotokollen und Ausführungen der Rechtsanwälte der Parteien getroffen.

High Court

Der High Court hat seinen Sitz in London, kann aber Verhandlungen auch in anderen Teilen Englands oder in Wales abhalten. Der High Court kann sich mit nahezu allen Zivilsachen befassen, wenngleich er sich in der Praxis auf größere und komplexere Fälle konzentriert. Er besteht aus drei Abteilungen:

  • Die Queen's Bench Division, die größte dieser Abteilungen, behandelt eine große Bandbreite von Zivilsachen. Hierzu gehören Klagen auf Schadenersatz aus Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung, Verleumdungsklagen, Rechtsstreitigkeiten in den Bereichen Handel, Technologie und Bauwesen sowie seerechtliche Streitigkeiten (Zivilprozesse im Zusammenhang mit Schiffen, in denen es z. B. um Kollision, Beschädigung der Ladung oder Bergung geht).
  • Die Chancery Division ist vor allem für Eigentumsfragen zuständig, darunter Nachlassverwaltung, Auslegung von Testamenten, Patente und geistiges Eigentum, Insolvenzen sowie Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Kapital- und Personengesellschaften.
  • Die Family Division verhandelt komplexere Scheidungssachen und damit verbundene Unterhalts- und Ehesachen. Ferner befasst sich diese Abteilung mit Sorgerechtssachen, die Kinder betreffen (insbesondere im Zusammenhang mit Vormundschaft, Adoption und Kindesentführung), Rechtssachen im Zuständigkeitsbereich des Court of Protection (Vormundschaftsgericht) und Rechtssachen, die sich auf die medizinische Behandlung von in die Zuständigkeit des Gerichts fallenden Kindern beziehen.

Administrative Court

Der Administrative Court nimmt verschiedene Aufgaben wahr, zu denen die Verwaltungsrechtsprechung in England und Wales sowie die Dienstaufsicht über die unteren Gerichte und die Tribunals gehört.

Die Dienstaufsicht besteht im Wesentlichen in der gerichtlichen Überprüfung der Tätigkeit von Personen und Stellen, die Aufgaben im Bereich des öffentlichen Rechts wahrnehmen. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass diese Stellen und Personen ihre Entscheidungen nach Recht und Gesetz treffen und die Befugnisse, die ihnen vom Parlament übertragen wurden, nicht überschreiten.

Des Weiteren entscheidet der Administrative Court über eine Reihe gesetzlich vorgesehener Rechtsmittel und Anträge:

  • Anfechtung der Entscheidungen von Ministern, Kommunalbehörden und Tribunals nach Maßgabe bestimmter Gesetze
  • Anträge nach dem Nationality, Immigration and Asylum Act 2002 (Staatsangehörigkeits-, Einwanderungs- und Asylgesetz)
  • Rechtsmittel („case stated“) gegen bestimmte Entscheidungen der Magistrates' Courts und des Crown Court
  • Anträge auf Haftprüfung („habeas corpus“)
  • Anträge auf Versetzung in den Anklagestand wegen Missachtung des Gerichts
  • Anträge in Bezug auf notorische Prozessführer (Personen, denen vom High Court untersagt wurde, ohne vorherige Genehmigung in England oder Wales Zivilklagen einzureichen, weil Missbrauch des Gerichts zu befürchten ist)
  • Anträge nach dem Coroners Act 1988 (Gesetz über die gerichtsmedizinische Untersuchung von Menschen, die keines natürlichen Todes gestorben sind)
  • Anträge auf der Grundlage folgender Gesetze: Prevention of Terrorism Act (Gesetz zur Terrorismusbekämpfung), Proceeds of Crime Act (Gesetz über Erlöse aus Straftaten), Drugs Trafficking Act (Gesetz gegen Drogenhandel) und Criminal Justice Act (Strafverfolgungsgesetz)

Im Jahr 2009 wurden in Birmingham, Cardiff, Leeds und Manchester Außenstellen des Administrative Court eröffnet, damit Kläger bzw. Antragsteller bestimmte Anträge in größerer Nähe zu ihrem Wohnort stellen können. Eine weitere Außenstelle wurde im November 2012 in Bristol eröffnet.

Divisional Courts

Bestimmte Rechtsmittel gegen Entscheidungen der unteren Gerichte werden von den Divisional Courts des High Court verhandelt, die in einer Besetzung mit mindestens zwei Richtern zusammentreten.

Über Rechtsmittel gegen Entscheidungen der County Courts im Zuständigkeitsbereich der Chancery Division und der Queen's Bench Division entscheiden die jeweiligen Divisional Courts.

Die Divisional Courts der Queen's Bench Division befassen sich unter anderem mit Rechtsmitteln zur Überprüfung von Entscheidungen der Magistrates' Courts und des Crown Court in rechtlicher Hinsicht (außer in Verfahren, die durch Anklage beim Crown Court eingeleitet wurden).

Ein Divisional Court der Family Division ist Rechtsmittelgericht für Entscheidungen der County Courts in Familiensachen.

County Courts

Die County Courts bearbeiten die Mehrzahl der Zivilsachen in England und Wales. Vereinfacht dargestellt werden die weniger komplizierten Zivilsachen von den County Courts verhandelt, die komplexeren vom High Court. Die Fälle, mit denen sich die County Courts befassen, betreffen größtenteils die Beitreibung von Forderungen. Zu ihren Zuständigkeiten gehören jedoch auch die Wiederinbesitznahme von Immobilien (z. B. wenn Hypotheken nicht mehr abbezahlt werden), Personen- und Sachschäden sowie Insolvenzsachen.  Einige County Courts fungieren auch als Bezirksgeschäftsstelle des High Court, bei der Verfahren vor dem High Court eingeleitet werden können. Zudem verfügen manche County Courts über eine fachliche Zuständigkeit, damit sie weniger komplexe Rechtssachen übernehmen können, die andernfalls vom High Court zu entscheiden wären.

Geld-/Schadenersatzforderungen mit einem Streitwert von unter 5000 £ werden in der Regel in einem besonderen Verfahren für geringfügige Forderungen behandelt. Dieses soll die kostengünstige und formlose Beilegung von Streitigkeiten ohne Einschaltung eines Anwalts ermöglichen. Der Richter kann dabei dem Kläger und dem Beklagten mit Fragen bei der Sachverhaltsdarstellung helfen. Darüber hinaus bieten die County Courts einen internen Mediationsdienst für geringfügige Forderungen an. Bei anderen streitigen Forderungen kann auch ein externer Mediator in Anspruch genommen werden.

Ferner bearbeiten die County Courts Familiensachen (Scheidungssachen, Bestimmung des Wohnsitzes von Kindern, Sorgerechts- und Adoptionssachen). Besonders komplexe Familiensachen können auch vom High Court verhandelt werden. Im Londoner Innenstadtbereich ist für sämtliche Familiensachen nicht der jeweilige County Court, sondern die Family Division des High Court über ihre Hauptgeschäftsstelle zuständig. Familienmediation wird über den gerichtlichen Beratungs- und Unterstützungsdienst für Kinder und Familien (Children and Family Court Advisory and Support Service – CAFCASS) angeboten.

Crown Court

Der Crown Court ist ein landesweit tätiges Gericht, das seine Verhandlungen in verschiedenen Städten in England und Wales abhält. Er befasst sich mit allen schweren Straftaten, die von den Magistrates' Courts an ihn verwiesen werden. Die Verhandlung findet vor einem Richter und 12 Geschworenen aus der Bevölkerung statt.

Geschworene werden mitunter auch in Zivilsachen (beispielsweise bei Verleumdungsklagen oder Klagen gegen die Polizei wegen böswilliger Einleitung eines Strafverfahrens) benötigt; dies kommt allerdings nicht häufig vor. Ein solcher Fall wird dann vom High Court oder von einem County Court verhandelt. Der Crown Court dient auch als Rechtsmittelgericht für Entscheidungen der Richter an den Magistrates' Courts.

Magistrates' Courts

Die Magistrates' Courts bearbeiten in erster Linie Strafsachen. Die meisten Straftaten werden von diesen Gerichten behandelt, die schwereren an den Crown Court verwiesen. Die Magistrates' Courts befassen sich ferner mit bestimmten Zivilsachen, unter anderem Familiensachen, der Beitreibung bestimmter Forderungen wie Gemeindesteuern, Gewerbegenehmigungen (zum Beispiel Konzessionen für den Alkoholausschank), Verstößen gegen Lizenzbedingungen oder gerichtliche Anordnungen sowie Wett- und Spielstreitigkeiten.

Die meisten Rechtssachen bei den Magistrates' Courts werden von Laienrichtern (auch Friedensrichter genannt) verhandelt. Diese Laienrichter besitzen keine juristische Ausbildung. Ein Spruchkörper setzt sich in der Regel aus drei Laienrichtern zusammen, die in Rechtsfragen von rechtskundigen Beisitzern beraten werden. Mit den komplexeren Rechtssachen bei den Magistrates' Courts befassen sich vollzeitbeschäftigte Berufsrichter, die District Judges (Magistrates' Courts) genannt werden. Daneben gibt es teilzeitbeschäftigte Deputy District Judges (Magistrates' Courts).

Da die Magistrates' Courts nur befugt sind, Straftäter zu Geldstrafen und (zeitlich begrenzten) Freiheitsstrafen zu verurteilen, werden einige Strafsachen zur Festlegung des Strafmaßes an den Crown Court verwiesen.

Einige Magistrates' Courts fungieren als „Youth Courts“ (Jugendgerichte) oder „Family Proceedings Courts“ (Familiengerichte). Sie sind mit besonders ausgebildeten Richtern besetzt, die sich mit Anklagen gegen Kinder und Jugendliche, mit Kinder und Jugendliche betreffenden Anträgen oder mit Familiensachen befassen.

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Letzte Aktualisierung: 28/05/2020

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