Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren dient dazu, den Sachverhalt soweit zu klären, dass die Staatsanwaltschaft entscheiden kann, ob sie Anklage erhebt oder das Verfahren einstellt. Für den Fall der Anklageerhebung soll das Ermittlungsverfahren auch die zügige Durchführung der Hauptverhandlung ermöglichen.
Abhängig von den einzelnen Ermittlungsschritten und -phasen haben Sie unterschiedliche Rechte:
Folgende Rechte stehen Ihnen auf jeden Fall und unabhängig vom konkreten Verfahrensabschnitt zu:
Die wichtigsten Fälle, in denen eine Pflichtverteidigung vorgeschrieben ist, umfassen: den gesamten Zeitraum der Untersuchungshaft, das gesamte Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für psychisch kranke Täter*innen, die Hauptverhandlung vor einen Schöffen- oder Geschworenengericht oder vor einer bzw. einem Einzelrichter*in, wenn eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist.
Die Ermittlungen werden von der Staatsanwaltschaft und der unter ihrer Leitung stehenden Kriminalpolizei durchgeführt. Die Kriminalpolizei ermittelt aus eigenem Antrieb, aufgrund einer Anzeige oder einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung.
Die Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei muss Sie in jedem Fall davon in Kenntnis setzen, dass und warum gegen Sie ermittelt wird. Außerdem hat man Sie darauf hinzuweisen, dass Sie als Beschuldigte*r nicht gezwungen sind, eine Aussage zu machen und dass eine von Ihnen gemachte Aussage als Beweismittel gegen Sie verwendet werden kann.
Wenn Sie die Ihnen zur Last gelegte Tat begangen haben und ein Geständnis ablegen (sich also schuldig bekennen), stellt dies bei der Strafbemessung einen wichtigen Milderungsgrund dar, führt aber regelmäßig nicht zu einer Änderung des Verfahrensablaufs. In bestimmten Konstellationen ist die Anwendung einer Kronzeug*innenregelung möglich.
Wenn Sie sich auf Deutsch nicht hinreichend verständigen können, haben Sie das Recht auf Übersetzungshilfe. Das bedeutet, dass zu Ihrer Vernehmung unentgeltlich ein*e Dolmetscher*in hinzugezogen wird. Solange die bzw. der Dolmetscher*in nicht anwesend ist, müssen und sollten Sie keine Fragen beantworten. Die bzw. der Dolmetscher*in übersetzt die an Sie gerichteten Fragen in eine Ihnen verständliche Sprache und die von Ihnen gegebenen Antworten ins Deutsche. Weiters haben Sie das Recht darauf, eine mündliche oder schriftliche Übersetzung wesentlicher Aktenteile zu erhalten.
Jedenfalls sind die Informationen und die Rechtsbelehrung zu übersetzen, die Ihnen nach dem Gesetz zu geben sind. Wenn Sie es wünschen, wird Ihnen die bzw. der Dolmetscher*in auch für den Kontakt mit der bzw. dem Verteidiger*in unmittelbar vor oder nach einer Vernehmung oder Verhandlung zur Seite gestellt.
Wird Ihnen eine Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ein gerichtlicher Beschluss mitgeteilt, können Sie auch für deren Übersetzung Übersetzungshilfe beantragen. Für die Akteneinsicht erhalten Sie nur dann Übersetzungshilfe, wenn Sie keine*n Verteidiger*in haben und es Ihnen unzumutbar ist, selbst für die Übersetzung der relevanten Aktenabschnitte zu sorgen.
Sofern die Vertretung durch eine*n Pflichtverteidiger*in nicht erforderlich ist, benötigen Sie keine Rechtsanwältin bzw. keinen Rechtsanwalt.. Gleichgültig ob Sie in Haft sind oder nicht, haben Sie aber das Recht, jederzeit eine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt beizuziehen, wenn Sie das wünschen. Für das Gespräch mit der bzw. dem Verteidiger*in unmittelbar vor oder nach einer Vernehmung oder Verhandlung ist Ihnen auf Verlangen auch ein*e Dolmetscher*in zur Verfügung zu stellen.
Wenn Sie festgenommen oder zu einer sofortigen Vernehmung durch die Polizei vorgeführt werden und den Namen einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwaltes kennen, der Sie verteidigen soll, dürfen Sie diesen direkt oder über die Polizei kontaktieren. Kennen Sie keine*n Verteidiger*in, steht Ihnen die Kontaktaufnahme mit einer bzw. einem im Rahmen des rechtsanwaltlichen Bereitschaftsdiensts tätige*n Verteidiger*in zur Verfügung. Die erste telefonische Auskunft ist kostenlos.
Die Polizei ist dazu befugt, Ihre Bekleidung sowie Gegenstände, die Sie bei sich haben, zu durchsuchen. Eine darüber hinausgehende körperliche Untersuchung bedarf der richterlichen Genehmigung sowie einer darauf beruhenden staatsanwaltschaftlichen Anordnung.
Die Polizei darf Ihre Fingerabdrücke abnehmen, sofern dies zur Feststellung Ihrer Identität erforderlich ist. Einen Mundhöhlenabstrich kann Ihnen die Kriminalpolizei zu Zwecken der DNA-Analyse abnehmen, diese selbst bedarf jedoch der richterlichen Genehmigung.
Die Durchsuchung von Orten und Gegenständen ist zulässig, wenn anzunehmen ist, dass sich an den Orten verdächtige Personen befinden oder dort Beweismittel sichergestellt werden kann. Die Durchsuchung von durch das Hausrecht geschützten Orten bedarf einer richterlichen Genehmigung. Die Polizei kann sonstige Orte und Gegenstände aufgrund einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung durchsuchen.
Als Beschuldigte*r haben Sie das Recht, Akteneinsicht zu nehmen. Dadurch erhalten Sie Kenntnis der gegen Sie vorliegenden Beweismittel. In Ausnahmefällen dürfen einzelne Teile des Aktes der Einsichtnahme entzogen werden. Sie haben jederzeit das Recht, eigene Beweismittel vorzulegen.
Sie können sich gegen jede Maßnahme der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren mit einem Einspruch zur Wehr setzen, wenn Sie glauben, in einem Recht verletzt worden zu sein. Der Einspruch ist binnen sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Verletzung bei der Staatsanwaltschaft einzubringen.
Über diesen Einspruch entscheidet das Gericht, wenn Ihnen nicht schon die Staatsanwaltschaft Recht gibt. Gegen die gerichtliche Entscheidung ist die Beschwerde an das Oberlandesgericht möglich.
Gegen gerichtliche Beschlüsse, insbesondere solche mit Auswirkungen auf die Grundrechte, steht Ihnen die Beschwerde an das Oberlandesgericht zu.
Beschwerden können sowohl bei der Staatsanwaltschaft, als auch beim erstinstanzlichen Gericht innerhalb einer Frist von 14 Tagen eingereicht werden.
Sie sind nicht dazu verpflichtet, während des gesamten Ermittlungsverfahrens in Österreich zu bleiben. Die Wahrung Ihrer Rechte im Ermittlungsverfahren kann (wenn Sie das möchten) auch durch Ihren Anwalt sichergestellt werden.
Zu Vernehmungen müssen Sie nach Österreich kommen. Eine Videoübertragung im Ermittlungsverfahren ist nicht vorgesehen.
Sie dürfen nur in Untersuchungshaft genommen werden, wenn gegen Sie ein dringender Tatverdacht besteht und wenn darüber hinaus ein Haftgrund vorliegt (Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr). Die Festnahme (durch Organe der Kriminalpolizei) bedarf einer richterlichen Bewilligung (sofern Sie nicht auf frischer Tat ertappt wurden oder Gefahr im Verzug vorliegt).
Die Untersuchungshaft selbst ist durch das Gericht zu verhängen und in einer Justizvollzugsanstalt zu vollziehen. Die Kriminalpolizei darf Sie höchstens 48 Stunden festhalten, bevor Sie in die Justizanstalt einzuliefern und sodann ohne unnötigen Aufschub einem Richter vorzuführen sind.
Das Gesetz sieht vor, dass Sie eine*n Angehörige*n oder eine andere Vertrauensperson sowie gegebenenfalls ihre konsularische Vertretung von ihrer Festnahme verständigen dürfen. In jeder Justizvollzugsanstalt gibt es einen sozialen Betreuungsdienst, der Ihnen dabei behilflich ist.
Der Beschluss auf Verhängung der Untersuchungshaft ist, gegebenenfalls mit Hilfe einer Dolmetscherin bzw. eines Dolmetschers, mündlich zu verkünden. Ihnen muss eine schriftliche Ausfertigung des Beschlusses ausgehändigt werden. Der Beschluss ist schriftlich oder mündlich in eine für Sie verständliche Sprache zu übersetzen. In dem Beschluss muss die Art der Straftat genannt werden, deren Sie dringend verdächtigt werden. Außerdem müssen alle Tatsachen aufgeführt werden, die die Untersuchungshaft nach Meinung des Gerichts rechtfertigen.
Sie müssen während der gesamten Dauer der Untersuchungshaft von einer bzw. einem Verteidiger*in vertreten werden. Wählen Sie nicht selbst eine*n Verteidiger*in, ist Ihnen einer beizugeben.
Der Beschluss des Gerichtes über die Verhängung der Untersuchungshaft ergeht nach Ihrer Vernehmung über die Voraussetzungen der Untersuchungshaft durch das Gericht.
Gegen diesen Beschluss und später auch gegen eine etwaige Verlängerung der Untersuchungshaft steht Ihnen die Beschwerde an das Oberlandesgericht zu, die innerhalb von drei Tagen einzubringen ist.
Jeder Beschluss in Bezug auf die Untersuchungshaft ist zeitlich befristet. Der Beschluss, mit dem die Untersuchungshaft verhängt wird, ist 14 Tage lang wirksam, der, mit dem die Untersuchungshaft das erste Mal verlängert wird, einen Monat. Alle folgenden Beschlüsse zur Verlängerung der Untersuchungshaft sind zwei Monate wirksam.
Insgesamt soll die Untersuchungshaft nicht länger als sechs Monate dauern. Sie kann jedoch aufgrund der Schwere der Straftat, deren Sie verdächtigt werden, verlängert werden. Nähere Informationen finden Sie hier.
Jede*r Untersuchungsgefangene*r hat das Recht, wenigstens zweimal in der Woche Besuch zu empfangen. Ihre Rechtsanwältin bzw. ihr Rechtsanwalt kann Sie jederzeit und unabhängig von dieser Besuchsregelung in der Haft aufsuchen.
In jeder Justizvollzugsanstalt ist ein medizinischer Dienst eingerichtet. Erforderliche Facharztbehandlungen werden Ihnen laut Gesetz ermöglicht.
Sie haben das Recht, Ihre Botschaft zu kontaktieren. Die Adresse finden Siehier. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft sind dazu verpflichtet, Ihre diplomatische Vertretung zu informieren, wenn Sie das wünschen.
Wenn ein Mitgliedstaat einen Europäischen Haftbefehl erlässt, können Sie in einem anderen Mitgliedstaat verhaftet und in das Land überstellt werden, das den Haftbefehl erlassen hat. Nach österreichischem Recht können Sie bis zu Ihrer Überstellung in Haft bleiben. Diese Haft wird von einem Gericht angeordnet. Während der entsprechenden Anhörung haben Sie das Recht auf einen Verteidiger und, sofern erforderlich, auf eine*n Dolmetscher*in.
Ist die Staatsanwaltschaft nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens der Meinung, dass dessen Ergebnisse Ihre Verurteilung nahelegen, erhebt sie beim zuständigen Gericht Anklage.
Ist die Ihnen zur Last gelegte Tat nach dem Gesetz mit einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe bedroht oder wird dies durch eine ausdrückliche Zuständigkeitsregel so normiert, ist die Anklage als begründete Anklageschrift beim Schöffen- oder Geschworenengericht zu erheben. Bei anderen, in der Regel mit geringerer Strafe bedrohten Straftaten genügt ein unbegründeter Strafantrag, der von der Staatsanwaltschaft bei der bzw. dem Einzelrichter*in des Landesgerichts oder beim Bezirksgericht schriftlich zu stellen ist.
Gegen die Anklageschrift können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung Einspruch einlegen, über den das Oberlandesgericht zu entscheiden hat (genaueres zu den Einspruchsgründen finden Sie hier). Der Einspruch kann schriftlich oder mündlich eingelegt werden.
Erachtet das Oberlandesgericht den Einspruch als begründet, kann es das Strafverfahren einstellen oder die Staatsanwaltschaft mit der Fortführung des Ermittlungsverfahrens beauftragen.
Wird Ihrem Einspruch nicht Folge gegeben oder erheben Sie keinen Einspruch, wird die Anklage rechtskräftig und das angerufene Gericht muss die Hauptverhandlung vorbereiten.
Wird die Anklage in Form eines Strafantrages erhoben, steht Ihnen das Rechtsmittel des Einspruchs nicht zur Verfügung. Das Gesetz verpflichtet allerdings das mit Strafantrag angerufene Gericht, die Berechtigung des Strafantrags zu prüfen. Wenn das Gericht den Strafantrag aus einem der im Gesetz genannten Gründe für unberechtigt hält, kann es das Strafverfahren einstellen.
Wenn die Anklage erhoben wurde, ist keine Einschränkung der Akteneinsicht mehr möglich. Spätestens jetzt haben Sie Zugang zu dem kompletten, auch dem Gericht zur Verfügung stehenden Akt. Das Gericht bereitet die Durchführung der Hauptverhandlung vor.
Sie haben die Möglichkeit, in Vorbereitung der Hauptverhandlung Beweisanträge zu stellen. Sie können insbesondere die Zeug*innenvernehmung beantragen. In Ihren Beweisanträgen müssen Sie angeben, welcher Beweis durch das beantragte Beweismittel erbracht werden soll. Gegebenenfalls müssen Sie auch angeben, warum Sie den beantragten Beweis diesbezüglich für tauglich halten.
Ist die Ihnen zur Last gelegte Tat mit mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht müssen Sie in der Hauptverhandlung anwaltlich vertreten sein. Sollten Sie nicht selbst eine Anwältin bzw. einen Anwalt wählen, wird Ihnen einer beigegeben.
Beträgt die Strafdrohung bis drei Jahre Freiheitsstrafe müssen Sie in der Hauptverhandlung nicht durch eine*n Anwältin bzw. Anwalt vertreten sein. Sie können sich aber jederzeit durch eine*n frei gewählte*n Verteidiger*in verteidigen lassen oder die Beigebung einer Verfahrenshilfeverteidigerin bzw. eines Verfahrenshilfeverteidigers beantragen, wenn es sich um eine schwierige Sach- oder Rechtslage handelt. Im Regelfall wird dies bei einem mit der österreichischen Rechtsordnung nicht vertrauten, ausländischen Angeklagten der Fall sein.
Sie sollten Ihre*n Verteidiger*in über alle Beweismittel informieren, die Sie aus Ihrer Sicht entlasten könnten. Diese*r wird dann die notwendigen Beweisanträge in der entsprechenden Form stellen.
Wenn ein Gericht eines anderen Mitgliedstaates über denselben Vorwurf bereits eine endgültige Entscheidung getroffen hat, können Sie wegen dieses Vorwurfs nicht erneut in einem anderen Mitgliedstaat angeklagt werden.
Sie sollten die erforderlichen Anträge zum Beweis dieser Tatsache möglichst früh (schon im Ermittlungsverfahren) stellen. Das gilt auch umgekehrt. Wurden Sie in Österreich wegen eines Deliktes freigesprochen oder verurteilt, können Sie wegen dieses Deliktes in keinem anderen Mitgliedstaat mehr vor Gericht gestellt werden.
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