Das Strafverfahren hat zwei Abschnitte: Die Voruntersuchung oder Ermittlung und die Hauptverhandlung. Das Strafverfahren kann auch ohne Hauptverhandlung abgeschlossen werden (beispielsweise wenn während der Ermittlungen festgestellt wird, dass die Straftat nicht verübt wurde). Nur das Gericht kann Sie einer Straftat für schuldig erklären.
Durch das strafrechtliche Ermittlungsverfahren soll geklärt werden, ob eine Straftat vorliegt und gegebenenfalls unter welchen Umständen die Tat begangen wurde. Während des Ermittlungsverfahrens werden Beweise für die vermutete Tat erhoben und die Tatumstände ermittelt. Es wird entschieden, ob die Beweise für eine Anklage gegen Sie ausreichen.
Das Strafverfahren wird von einer Ermittlungsbehörde (Polizei oder eine andere staatliche Behörde mit den entsprechenden Befugnissen) oder von der Staatsanwaltschaft eingeleitet. Das Strafverfahren beginnt, wenn die Polizei oder die Staatsanwaltschaft Informationen über die vermutete Straftat erhält.
Wenn die Ermittlungsbehörde triftige Gründe hat, Sie der Tat zu verdächtigen, können Sie bis zu 48 Stunden als Verdächtiger festgehalten werden. Werden Sie festgenommen, müssen Sie sofort von einer Ermittlungsbehörde vernommen werden.
Wenn sich während der Ermittlungen herausstellt, dass es keinen Grund für Ihre Festnahme gibt, müssen Sie sofort freigelassen werden. Wenn die Staatsanwaltschaft überzeugt ist, dass Sie länger festgehalten werden müssen, damit Sie sich nicht den Ermittlungen entziehen und keine weiteren Straftaten begehen, muss sie beim Gericht einen Haftbefehl beantragen.
Dann werden Sie innerhalb von 48 Stunden ab der Festnahme einem Richter vorgeführt. Der Richter entscheidet, ob eine Untersuchungshaft angemessen ist. Ist sie seiner Meinung nach unbegründet, werden Sie sofort freigelassen.
Ziel der Ermittlungen ist es, Beweise zu erheben, die die Umstände der Straftat bestätigen. Zu diesem Zweck werden der Verdächtige, das Opfer und die Zeugen vernommen, Beweise zusammengetragen, forensische Untersuchungen und Überwachungstätigkeiten durchgeführt. Alle Maßnahmen zur Beweiserhebung müssen gemäß den gesetzlichen Vorschriften dokumentiert werden. Für die Anklageerhebung können nur gesetzlich vorgeschriebene und rechtmäßig erhobene Beweise verwendet werden.
Es wird eine Strafakte erstellt, die Informationen über die strafrechtlichen Ermittlungen und die Beweismittel enthält. Sobald die strafrechtlichen Ermittlungen abgeschlossen sind, übergibt die Staatsanwaltschaft dem Verteidiger eine Kopie der Strafakte. Ihr Anwalt erklärt Ihnen dann, welche Beweise zusammengetragen wurden und worauf sich die Anklage gegen Sie gründet.
Sie und Ihr Anwalt haben das Recht, Anträge bei der Staatsanwaltschaft zu stellen (beispielsweise, dass zusätzliche Beweismittel in die Akte aufgenommen werden, dass die strafrechtlichen Ermittlungen eingestellt werden usw.). Die Staatsanwaltschaft muss über diese Anträge entscheiden. Wenn die Staatsanwaltschaft über einen Antrag nicht in Ihrem Sinne entscheidet, können Sie diesen während der Hauptverhandlung vor Gericht erneut stellen.
Nachdem Sie Akteneinsicht bekommen haben und über die Anträge entschieden wurde, verfasst die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift, sofern sie der Ansicht ist, dass die Beweismittel gegen Sie zur Anklageerhebung ausreichen.
Die Anklageschrift ist ein Dokument, in dem der Sachverhalt und die Beweismittel aufgeführt sind, auf denen die Anklage basiert. Die Staatsanwaltschaft legt dem Verteidiger die Anklageschrift vor und sendet sie an das Gericht. Der Richter leitet das Verfahren auf der Grundlage der Anklageschrift ein.
Das Strafverfahren wird eingeleitet, weil die Ermittlungsbehörde Informationen erhalten hat, die eine Straftat vermuten lassen. Diese Informationen können auf einer Anzeige basieren oder auf der Entdeckung eines Sachverhalts, der das Vorliegen einer Straftat vermuten lässt.
Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren dient der Klärung, ob eine Straftat vorliegt und ob die Beweismittel gegebenenfalls ausreichen, um Anklage gegen den Verdächtigen zu erheben.
Die Staatsanwaltschaft leitet das Strafverfahren. Die Ermittlungen werden nach den Anweisungen der Staatsanwaltschaft von einer Ermittlungsbehörde durchgeführt. Normalerweise führt die Polizei die Ermittlungen durch. Sie können auch von der Sicherheitspolizei, der Finanz- und Zollverwaltung, der Militärpolizei oder dem Wettbewerbsrat durchgeführt werden.
Die Ermittlungsbehörden benötigen für bestimmte Verfahrenshandlungen die Genehmigung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts.
Das Strafverfahren beginnt mit der ersten Verfahrenshandlung. Wenn Sie einer Straftat verdächtigt sind, erfahren Sie von dem Strafverfahren, wenn Sie als Verdächtiger festgenommen oder zu dem Ermittler bestellt und von ihm befragt werden.
Sie können als Verdächtiger behandelt werden, wenn die Ermittlungsbehörde hinreichende Gründe hat, Sie einer Straftat zu verdächtigen. Hinreichende Gründe sind beispielsweise:
Im Folgenden werden Ihre wichtigsten Rechte als Verdächtiger aufgeführt:
Sie sind dazu verpflichtet,
Wenn Sie der Verdächtige sind, muss Ihnen die Ermittlungsbehörde Ihre Rechte und Pflichten erklären. Sie werden dazu aufgefordert, das schriftliche Protokoll der Belehrung zu unterzeichnen. Dadurch bestätigen Sie, dass Sie über Ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt wurden.
Danach wird Ihnen mitgeteilt, welcher Verdacht gegen Sie besteht. Das bedeutet, dass Sie eine kurze Beschreibung der Tat erhalten, derer Sie verdächtigt sind. Ihnen wird auch das Gesetz genannt, das diese Handlung als Straftat definiert. Weder die Ermittlungsbehörde noch die Staatsanwaltschaft sind dazu verpflichtet, Ihnen vor Abschluss der Voruntersuchung weitere Informationen zu geben.
Sobald gegen Sie als Verdächtigen ein Strafverfahren geführt wird, haben Sie das Recht, sich mit Ihrem Anwalt zu treffen und mit ihm zu sprechen. Sie haben das Recht, sich mit Ihrem Anwalt zu besprechen, bevor die Ermittlungsbehörde mit Ihrer Vernehmung beginnt.
Sie können festgenommen werden, wenn:
Sie können auch dann festgenommen werden, wenn die Ermittlungsbehörde andere Informationen hat, die Sie verdächtig machen und wenn:
Sie können auch für die Überstellung oder Auslieferung in ein anderes Land festgenommen und in Haft genommen werden (siehe Vernehmung und Beweiserhebung (3)).
Die Ermittlungsbehörde hat das Recht, Sie festzunehmen. Wenn Sie auf frischer Tat oder unmittelbar danach ertappt werden oder wenn Sie versuchen, zu fliehen, kann Sie jede Person für die Festnahme zur Polizei bringen.
Ein Beamter der Ermittlungsbehörde muss Sie bei der Festnahme über die Gründe für Ihre Festnahme informieren und Sie über Ihre Rechte und Pflichten aufklären. Der Beamte erstellt ein Festnahmeprotokoll, in dem die Rechtsgrundlage für Ihre Festnahme sowie die Umstände der Tat beschrieben sind, derer sie verdächtigt werden. Sie haben das Recht, Anträge zu stellen und zu fordern, dass diese in dem Festnahmeprotokoll festgehalten werden.
Die Ermittlungsbehörde muss Sie unverzüglich in einer Ihnen verständlichen Sprache und auf eine Ihnen verständliche Art und Weise über die Gründe für Ihre Festnahme und über Ihre Rechte informieren. Die Ermittlungsbehörde muss Ihnen einen Dolmetscher beiseite stellen, wenn Sie einen benötigen. Es wird lediglich für einen Dolmetscher gesorgt (nicht für eine schriftliche Übersetzung).
Sie haben das Recht, mindestens eine Ihnen nahestehende Person Ihrer Wahl zu informieren. Die Ermittlungsbehörde kümmert sich darum. Das heißt, dass Sie das Recht haben, darum zu bitten, dass eine Person Ihrer Wahl benachrichtigt und durch die Ermittlungsbehörde informiert wird.
Ist die Ermittlungsbehörde der Ansicht, dass es das Strafverfahren behindern könnte, die Person Ihrer Wahl zu benachrichtigen, kann sie die Information dieser Person ablehnen. Die Staatsanwaltschaft muss eine solche Ablehnung genehmigen.
Sie dürfen nicht länger als 48 Stunden in Haft genommen werden. Wenn das Gericht nicht innerhalb von 48 Stunden nach Ihrer Festnahme einen Haftbefehl erlassen hat, muss die Ermittlungsbehörde Sie unverzüglich freilassen.
Sie können auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft genommen werden, wenn begründetermaßen Fluchtgefahr oder die Gefahr besteht, dass Sie weitere Straftaten begehen. Die Untersuchungshaft kann nur von einem Richter angeordnet werden.
Die Ermittlungsbehörde führt Sie einem Richter vor, damit dieser einen Haftbefehl ausstellt. Der Staatsanwalt und, wenn Sie dies wünschen auch Ihr Anwalt, erscheinen ebenfalls vor dem Richter. Der Richter verliest die Strafakte und befragt Sie zur Überprüfung der Haftgründe. Nach Anhörung der Parteien der Strafsache stellt das Gericht entweder einen Haftbefehl aus oder lehnt dies ab. Wenn das Gericht die Ausstellung eines Haftbefehls ablehnt, müssen Sie unverzüglich freigelassen werden.
Während der Voruntersuchung darf die Untersuchungshaft nicht länger als sechs Monate dauern. Dieser Zeitraum kann in Ausnahmefällen verlängert werden. Sie haben das Recht, alle zwei Monate eine Überprüfung der Haftgründe durch das Gericht zu beantragen. Das Gericht muss dann innerhalb von fünf Tagen entscheiden, ob das Fortbestehen der Untersuchungshaft begründet ist oder nicht. Wenn das Gericht entscheidet, dass die Untersuchungshaft nicht länger begründet ist, müssen Sie unverzüglich freigelassen werden.
Sie können beantragen, dass anstelle der Untersuchungshaft eine Kaution gegen Sie verhängt wird. Sie müssen hierzu einen Antrag vor Gericht stellen. Sie werden einem Richter vorgeführt, der den Antrag auf Kaution prüft. Der Richter muss Ihre Meinung und die Ihres Anwalts anhören.
Wenn das Gericht dem Antrag stattgibt, werden Sie aus der Untersuchungshaft entlassen, sobald die Kaution beim Gericht eingegangen ist.
Sie haben das Recht, Berufung gegen den Haftbefehl einzulegen. Dazu muss Ihr Anwalt durch das Gericht, welches den Haftbefehl erlassen hat, eine schriftliche Berufung beim Bezirksgericht einlegen. Sie müssen die Berufung innerhalb von zehn Tagen einlegen, nachdem Sie von dem Haftbefehl erfahren haben.
Die Vernehmung und die Beweiserhebung dienen der Feststellung der Umstände der vermuteten Straftat. Außerdem wird ein schriftlicher Bericht dieser Umstände verfasst, so dass sie vor Gericht geprüft werden können. Die Ermittlungsbehörde und die Staatsanwaltschaft sind dazu verpflichtet, sowohl Beweise zu sammeln, die Sie belasten als auch solche, die Sie entlasten. Sie müssen Ihre Unschuld nicht beweisen
Wenn Sie ein Verdächtiger sind, muss die Ermittlungsbehörde Sie unverzüglich vernehmen.
Sie müssen der Ermittlungsbehörde keine Auskünfte geben und die Fragen, die Ihnen gestellt werden, nicht beantworten. Sie haben das Recht, zu schweigen. Schweigen darf in keinem Fall als Schuldeingeständnis gewertet werden. Sie können nicht gezwungen werden, gegen sich selbst oder gegen Familienangehörige auszusagen.
Vor der Vernehmung müssen Sie darüber aufgeklärt werden, dass Sie ein Aussageverweigerungsrecht haben und dass Ihre Aussage gegen Sie verwendet werden kann. Als erstes werden Sie gefragt, ob Sie die Straftat begangen haben, die Ihnen vorgeworfen wird.
Sie erhalten die Möglichkeit, zu sagen, was Sie über die Straftat wissen, die Gegenstand der Ermittlungen ist. Es werden Ihnen auch Fragen gestellt. Es wird ein schriftliches Protokoll erstellt. Sie haben das Recht, es zu lesen, bevor Sie es unterschreiben. Sie können Ihre Kommentare in das Protokoll aufnehmen lassen.
Ihre Aussage kann gegen Sie verwendet werden.
Sie können sich während der Vernehmung aller oder einiger Tatvorwürfe schuldig bekennen. Sie können das auch jederzeit nach der Vernehmung tun, selbst wenn Sie während der Vernehmung Ihre Unschuld beteuert haben.
Das Strafverfahren ist nicht beendet, wenn Sie sich schuldig bekennen. Die Ermittlungsbehörde muss dennoch die Tatumstände ermitteln und die Tat beweisen. Sie können nicht ausschließlich auf der Grundlage Ihres Geständnisses für eine Straftat verurteilt werden.
Wenn Sie Ihre Schuld gestanden haben, haben Sie das Recht, auf Ihre vorherige Aussage zurückzukommen und Ihr Geständnis später im Strafverfahren oder vor Gericht zu widerrufen. In einem solchen Fall kann aber Ihr früheres Geständnis dem Gericht vorgelegt und als Beweis gegen Sie verwendet werden. Wenn weitere Beweismittel Ihre Schuld bestätigen, wird die Tatsache, dass Sie Ihr Geständnis widerrufen haben, wegen Unglaubwürdigkeit ignoriert.
Die Ermittlungsbehörde ist während der strafrechtlichen Ermittlungen nicht dazu verpflichtet, Ihnen Auskünfte über die Zeugen und deren Aussagen zu geben. Sie erfahren erst dann Näheres über die Zeugen und ihre Aussagen, wenn Sie am Ende der Ermittlungen Einsicht in die Strafakte erhalten (siehe Einsichtnahme in die Strafakte, Anhörung von Anträgen und Anklageerhebung (4)).
Es werden Ihnen möglicherweise Fragen zu Ihren Vorstrafen gestellt, Sie können aber die Auskunft verweigern. Die Ermittlungsbehörde hat das Recht, in den verschiedenen Registern zu prüfen, ob Vorstrafen gegen Sie vorliegen. In der Anklageschrift werden alle Vorstrafen festgehalten.
Die Ermittlungsbehörde hat das Recht, eine körperliche Untersuchung durchzuführen, um Spuren der Straftat, besondere Körpermerkmale oder andere Informationen zu ermitteln, die für die strafrechtlichen Ermittlungen erheblich sind.
Die Ermittlungsbehörde hat das Recht, Spurenbeweise und Proben von Ihnen zu nehmen. Dazu gehören auch Fingerabdrücke und biologisches Material für die DNA-Analyse.
Wenn Sie die Abgabe von Proben verweigern, kann die Ermittlungsbehörde Sie dazu zwingen. Wenn Sie jedoch die Abgabe von Proben verweigern oder wenn die Proben nur unter Verletzung Ihrer körperlichen Unversehrtheit genommen werden können, bedarf es einer Anordnung durch die Ermittlungsbehörde. Sie haben das Recht, diese Anordnung zu sehen.
Ihre Wohnung, Ihr Büro, Ihr Auto usw. dürfen durchsucht werden, um Beweismittel für die Straftat oder andere Gegenstände sicher zu stellen, die erforderlich sind, um das Verbrechen aufzuklären. Hierzu müssen die Staatsanwaltschaft oder das Gericht einen Durchsuchungsbefehl ausstellen. Ist die Durchsuchung dringlich, ist sie auch mit einem Durchsuchungsbefehl der Ermittlungsbehörde zulässig.
Der Durchsuchungsbefehl muss der Person gezeigt werden, deren Eigentum durchsucht werden soll. Dann ist sie zur Herausgabe des in dem Durchsuchungsbefehl genannten Gegenstands aufzufordern. Wenn sie den Gegenstand nicht aushändigt, führen die Beamten der Ermittlungsbehörde die Durchsuchung durch.
Wenn Ihre Rechte verletzt werden, haben Sie das Recht, sich über die Maßnahmen der Ermittlungsbehörde zu beschweren und bei der Staatsanwaltschaft Beschwerde einzulegen. Wenn die Beschwerde Maßnahmen der Staatsanwaltschaft betrifft, kann sie bei der Generalstaatsanwaltschaft eingelegt werden. Über die Beschwerde wird innerhalb von dreißig Tagen entschieden. Ihnen wird eine Kopie der Entscheidung zugestellt. Wenn Sie mit der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft nicht einverstanden sind, können Sie innerhalb von zehn Tagen Beschwerde beim Gericht einlegen.
In der Strafakte werden alle Beweismittel aufgeführt, die im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gesammelt wurden. Sie enthält auch eine Zusammenfassung der Voruntersuchung, in der die Tatumstände beschrieben werden. Als Verdächtiger müssen Sie Einsicht in die Strafakte nehmen können, damit Sie wissen, welche Vorwürfe gegen Sie erhoben werden und wie sie begründet sind.
Wenn Sie ein Verdächtiger sind, können Sie nach Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen Einsicht in die Strafakte nehmen.
Sobald Sie Einsicht in die Strafakte nehmen können, brauchen Sie einen Anwalt (siehe Informationsblatt 1). Die Staatsanwaltschaft händigt Ihrem Anwalt eine Kopie der Strafakte aus. Dieser informiert Sie über den Inhalt der Strafakte.
Für die Prüfung der Strafakte ist keine bestimmte Frist festgesetzt. Wenn die Staatsanwaltschaft der Ansicht ist, dass die Prüfung der Strafakte verzögert wird, kann sie eine Frist setzen. Sie muss Ihnen ausreichend Zeit geben, damit Ihr Recht auf Verteidigung sichergestellt ist.
Nachdem Sie die Strafakte geprüft haben, haben Sie und Ihr Anwalt das Recht, Anträge bei der Staatsanwaltschaft zu stellen. Dadurch wird gewährleistet, dass die strafrechtlichen Ermittlungen gründlich und gerecht ausgeführt werden.
Sie können beantragen, dass:
Wenn Sie der Ansicht sind, dass kein Grund für eine Fortführung des Strafverfahrens besteht, können Sie bei der Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens beantragen. Außerdem können Sie die Anwendung des gesetzlich vorgesehenen, vereinfachten Verfahrens beantragen (beispielsweise das Verständigungsverfahren). Es findet dann keine vollständige Hauptverhandlung statt.
Anträge werden in Schriftform bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Sie müssen innerhalb von zehn Tagen nach Einsichtnahme in die Strafakte eingereicht werden. Wenn die Strafsache umfangreich und kompliziert ist, kann die Staatsanwaltschaft diese Frist verlängern (Artikel 225 der Strafprozessordnung, die am 1. September 2011 in Kraft trat).
Die Staatsanwaltschaft entscheidet binnen zehn Tagen über die Anträge. Gibt die Staatsanwaltschaft einem Antrag nicht statt, ergeht eine Entscheidung, die Ihnen als Kopie zugestellt wird. Wenn Ihr Antrag während dieses Verfahrensabschnitts abgelehnt wird, können Sie ihn während der Hauptverhandlung erneut stellen.
Nachdem Sie die Strafakte geprüft haben und die Staatsanwaltschaft über Ihre Anträge entscheiden hat, wird Anklage gegen Sie erhoben, sofern die Staatsanwaltschaft der Ansicht ist, dass die Beweise für ein Verfahren gegen Sie ausreichen.
Die Staatsanwaltschaft erstellt die Anklageschrift. Dieses Dokument stellt den Sachverhalt dar, auf dem die Anklage basiert und nennt die Beweismittel, die sie stützen. Die Staatsanwaltschaft übergibt Ihnen und Ihrem Anwalt eine Anklageschrift und sendet sie an das Gericht.
Das Gericht kann die Verhandlung nur auf der Grundlage der Anklageschrift durchführen. Die Staatsanwaltschaft kann die Anklage ändern oder ergänzen, sie muss dann aber eine neue Anklageschrift vorlegen.
Wenn Sie in einem anderen Land bereits wegen derselben Vorwürfe schuldig gesprochen wurden oder wenn das diesbezügliche Strafverfahren eingestellt wurde, können Sie wegen dieses Delikts nicht erneut angeklagt werden. Wenn das Strafverfahren in Estland gegen Sie eingeleitet wurde, muss es in einem solchen Fall eingestellt werden, ohne dass Anklage gegen Sie erhoben wird.
Nach Prüfung der Strafakte können Sie bei der Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Einleitung eines Verhandlungsverfahrens stellen. Stimmt die Staatsanwaltschaft zu, beginnen Verhandlungen mit Ihnen und Ihrem Anwalt über die rechtliche Definition der Straftat, derer Sie angeklagt sind und über die entsprechenden Strafe.
Wenn Sie als Ergebnis der Verhandlungen zu einer Einigung gekommen sind, wird diese schriftlich festgehalten und dem Gericht zur Bestätigung vorgelegt. Wenn das Gericht die Absprache bestätigt, werden Sie gemäß den Bedingungen der getroffenen Absprache verurteilt.
Der Europäische Haftbefehl ist ein Antrag der zuständigen Stelle eines Mitgliedstaats der Europäischen Union an einen anderen Mitgliedstaat über die Festnahme, Inhaftierung oder/und Überstellung einer bestimmten Person an den antragstellenden Staat, so dass dieser Staat ein Strafverfahren fortsetzen oder die betreffende Person inhaftieren kann.
Wenn Sie festgenommen werden, muss Ihnen der Grund hierfür mitgeteilt werden. Außerdem müssen Sie darüber informiert werden, dass Sie der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat zustimmen können. Wenn Sie der Überstellung zustimmen, können Sie diese Entscheidung später nicht rückgängig machen. Bezüglich der Festnahme haben Sie Anspruch auf Prozesskostenhilfe und auf die Unterstützung durch einen Dolmetscher.
Die Überstellung oder die Ablehnung der Überstellung wird vom Gericht entschieden. Sie, Ihr Anwalt und die Staatsanwaltschaft sind bei der Gerichtsverhandlung anwesend. Das Gericht muss Ihre Meinung zu der Überstellung anhören. Das Gericht erlässt eine Entscheidung, in der Ihrer Überstellung entweder zugestimmt wird oder in der sie abgelehnt wird. Nach Erhalt der Entscheidung können Sie binnen drei Tagen beim Bezirksgericht Einspruch einlegen. Das Bezirksgericht entscheidet innerhalb von zehn Tagen über Ihren Einspruch. Gegen diese Entscheidung können keine Rechtsmittel mehr eingelegt werden.
Wenn Sie der Überstellung zugestimmt haben, muss innerhalb von zehn Tagen entscheiden werden. Wenn Sie der Überstellung nicht zugestimmt haben, muss die endgültige Entscheidung über Ihre Überstellung beziehungsweise über die Ablehnung der Überstellung innerhalb von 60 Tagen nach Ihrer Festnahme getroffen werden. In Ausnahmefällen kann diese Frist um 30 Tage verlängert werden. Wenn die Gerichtsentscheidung über Ihre Überstellung rechtskräftig wurde, müssen Sie dem antragstellenden Staat innerhalb von zehn Tagen überstellt werden. Werden Sie nicht innerhalb dieser Frist überstellt, müssen Sie freigelassen werden.
Wenn in einem anderen Staat ein Strafverfahren gegen Sie eingeleitet wurde und ein Haftbefehl ausgestellt wurde oder wenn ein Gericht dieses Staates Sie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt hat, kann dieser Staat Ihre Auslieferung beantragen. Wenn ein anderer Staat ein Auslieferungsersuchen an Estland richtet oder Interpol ein Ersuchen um Festnahme, können Sie für die Dauer des Auslieferungsverfahrens in Haft genommen werden. Sie können während des Auslieferungsverfahrens höchstens ein Jahr in Haft bleiben. Das Gericht entscheidet über die Auslieferung.
Wenn Sie Staatsbürger eines ausländischen Staates sind, wird eine Kopie Ihres Haftbefehls an das Auswärtige Amt gesendet, das die Botschaft oder konsularische Vertretung Ihres Landes über Ihre Inhaftierung informiert. Sie können einen Antrag auf ein Treffen mit einem Konsularbeamten Ihres Landes stellen.
Die Ermittlungsbehörde und die Staatsanwaltschaft müssen sicherstellen, dass Sie die Hilfe eines Dolmetschers haben. Der Dolmetscher muss bei allen Verfahrenshandlungen anwesend sein, an denen Sie teilnehmen. Der Dolmetscher ist dazu verpflichtet, alles was im Zusammenhang mit der Verfahrenshandlung steht, vollständig und richtig zu übersetzen. Es wird nur ein Dolmetscher bereitgestellt (keine schriftliche Übersetzung).
Sie können beantragen, dass die Anklageschrift schriftlich in Ihre Muttersprache oder in eine andere Sprache übersetzt wird, die Sie sprechen. Andere Dokumente, die Teil des Strafverfahrens sind, werden nicht schriftlich übersetzt.
Sie müssen sich während des Strafverfahrens nicht in Estland aufhalten und Sie können aus Estland ausreisen. Sie sind jedoch dazu verpflichtet, vor der Ermittlungsbehörde zu erscheinen, wenn dies erforderlich ist, damit diese einen Verfahrensakt durchführen kann. Die Ermittlungsbehörde kann Ihnen verbieten, Ihren Wohnort ohne Genehmigung der Behörde zu verlassen.
Wenn Sie Ihren Wohnort länger als 24 Stunden verlassen wollen, müssen Sie vorher die Genehmigung der Ermittlungsbehörde einholen. Wenn Sie auf Vorladung nicht vor der Ermittlungsbehörde erscheinen oder wenn Sie Ihren Wohnort widerrechtlich verlassen, können Sie in Untersuchungshaft genommen werden.
Die Ermittlungsbehörde kann Ihre Vernehmung im Ausland mittels Videokonferenz durchführen. Eine solche Vernehmung kann nur dann durchgeführt werden, wenn Sie ihr zustimmen.
Strafprozessordnung auf englisch (enthält nicht alle Änderungen)
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